Tombstone. Der Cowboy, der schneller schießt als sein Schatten, wird 75. Der neue Comic-Band „Die Ursprünge – Western von gestern“ zeigt sich als Rückblick.

Dank ihm ist der Westen halb so wild: Wenn Lucky Luke zieht, verdrücken sich die Bösen. Der einsame Cowboy ist der ballernde Beweis dafür, dass das Gute immer siegt und Pulverdampf hübsch faltenfrei hält. Noch schöner: Zum 75. Geburtstag und zum Band Nummer 100 wird der strahlende Revolverheld ganz jugendlich. „Die Ursprünge – Western von gestern“, das jetzt für eine Handvoll Dollar (6,90 €) erscheint, vereint zwei seiner ältesten Abenteuer.

Auch wenn Sammlerherzen jetzt heftiger pochen, würde der normale Lucky-Leser denjenigen, der die Idee mit dem Retro-Cowboy hatte, doch lieber blaue Bohnen hinterher schicken: Das Gesicht knuddelig gerundet, teils sogar noch ohne Weste, ohne Daltons, ohne Rantanplan…

Lucky Luke, wie ihn sich Morris im Nachkriegsjahr 1946 ausgedacht hat

Das ist nicht der Lucky Luke, den wir in Erinnerung haben mit seinem hageren, markanten Äußeren. Aber es ist jener Lucky Luke, wie ihn sich Morris, der Cowboyvater, einst im Nachkriegsjahr 1946 ausgedacht hat für den „Spirou-Almanach“. Dabei ist „Arizona 1880“ die allererste Geschichte rund um Lucky, „Die Goldmine von Dick Digger“ entstand kurz danach. Und man darf die beiden frühen Werke auf zwei Weisen lesen: Einerseits ist hier schon so vieles angelegt, was zu den Markenzeichen von Lucky Luke zählt, weißer Hut und dunkle Jeans, gelbes Hemd, rotes Halstuch – und der gute, alte Gaul Jolly Jumper…

Andererseits lassen die hübsch einfachen Geschichten noch den Humor und die Raffinesse, den markanten Strich und die hübsche Hintersinnigkeit vermissen, durch die sich die späteren Bände auszeichnen. Und so bleiben diese beiden Geschichten doch recht simple Slapstick-Storys, bei denen am Anfang Postkutsche und Goldgräber ausgeraubt werden – und bei denen es bei der Bösebubenjagd immer mal wieder zu Fallen, Tricks und Fallstricken kommt. Und dann wird geprügelt, vier Fäuste für ein Halleluja!

Was wäre Lucky Luke ohne die Daltons?

Überhaupt die bösen Buben. Was wäre Lucky ohne die Daltons? Ohne diese vier Galgenvögel, für die gilt: Je kleiner, je gemeiner. Zwischen Wutzwerg Joe und dem tumb-verfressenen Lulatsch Averell liegen 30 Zentimeter – und wahre Abgründe von Boshaftigkeit… Aber so richtig, richtig böse ist bei Lucky Luke ja niemand. Jesse James, Doc Holiday, Calamity Jane und wie sie alle heißen: alles harmlose Haudegen.

Der Erfolg des belgischsten aller Westernhelden hatte gleich mehrere Gründe: Der Zeichner und Schöpfer Maurice De Bevere (1923-2001), manche Menschen nennen ihn Morris, verbrachte tatsächlich sechs Jahre in den USA und legte ein gewaltiges Archiv über die Pionierzeit an – solche Akribie muss man erstmal an den Tag legen.

Seit Anfang der 80er-Jahre muss Lucky Luke Grashalme kauen

Auch andere, nicht ganz so bittere Verluste musste der Mann mit dem lockeren Colt hinstecken: Anfang der 80er-Jahre schossen ihm die politisch Korrekten mit ihren Argumenten die Kippe von der Lippe, kein Lucky Strike für Lucky Luke. Seitdem hat er nur noch einen faden Grashalm im Mundwinkel – wenn die wüssten, dass man Gras auch rauchen kann, ts, ts, ts…

Aber das ist eine andere Geschichte, die vielleicht eines Tages noch geschrieben wird, wenn neue Zeichner und Lucky-Erbe Achdé alias Hervé Darmenton sich an die nächsten 100 Bände macht. Und bis dahin reiten wir in den Sonnenuntergang und spielen das Lied von Luke: „I’m a poor lonesome cowboy, I’m a long way from home“.