Moers. Das Schlosstheater Moers schickt „21 Lovesongs“ auf die High-Speed-Datenautobahn: ein grandioses Streaming-Erlebnis über Corona-Gefühlswelten.

„21 Lovesongs“ aus zwei Jahrhunderten oder Wie das Schlosstheater Moers in Zeiten der Pandemie aus der Not eine Tugend macht und mit der neuen Ensemble-Produktion einen Vermittlungsweg geht, für den Prädikate wie überwältigend, sensationell oder virtuos fast noch zu schwach sind.

Viele Bühnen suchen, durchaus erfolgreich, angesichts der Corona-Beschränkungen den Online-Weg zu ihrem Publikum. „Streaming“ ist auch in Moers angesagt. Doch Ulrich Grebs Inszenierung, die am Abend jeder Ausstrahlung live gespielt wird, bedeutet für den Zuschauer eine entfesselte Erlebnisreise auf der High-Speed-Datenautobahn.

Fünf Schauspieler und zwei Musiker tauchen in unterschiedliche Gefühlswelten ein

Wie reagieren Menschen auf das Getrenntsein, auf die erzwungene Isolation, wie protestieren sie gegen die unerfüllte Sehnsucht nach Berührung, welche Perspektive entwickeln sie für sich, welche vielleicht neue Bedeutung erfährt der Begriff Freiheit? Fünf Schauspieler und zwei Musiker (Bass, Gitarre, Keyboard), die selbst Franz Schuberts „Im Dorfe“ in genialischen Punk-Rock à la Nina Hagen verwandeln, tauchen in die so unterschiedlichen Gefühlswelten der Songs von Max Raabe, Georg Kreisler oder Sting, von Rio Reiser, Leonard Cohen oder Metallica ein.

Dramaturgin Viola Köster hat dazu verbindende Textfragmente ausgewählt, die nach Genre und Haltung ebenfalls nicht unterschiedlicher sein könnten. Gespielt wird in jenem „Quarantäne-Zelt“, das Greb bereits für seine eindringliche Sicht auf Camus‘ „Pest“ nutzte und das Ausstatterin Birgit Angele nun in sechs fantasievoll hergerichtete „Quarantäne-Zellen“ unterteilt hat, um dem Ensemble Masken-Freiheit zu ermöglichen.

Der virtuose Umgang mit Technik hält jedem Vergleich mit Video-Clips stand

So weit, so normal. Alles andere als normal ist allerdings die Art und Weise, wie Ulrich Greb seine Inszenierung konsequent auf das Medium ausrichtet. Insgesamt zehn mobile Kameras sind im Einsatz, jedes Ensemblemitglied in seiner transparenten Zelle ist zugleich Kameramann bzw. Kamerafrau. Die Bildmischung erfolgt live und reaktionsschnell, entsprechend den Textpassagen und im Rhythmus der Powermusik.

Soli, bei denen der Theaterbesucher dem Darsteller nie so nah war, werden durch Zublendungen erweitert, erläutert, kommentiert, bei Ensembleszenen teilt sich der Bildschirm in bis zu sechs Blickfenster aus unterschiedlichen Perspektiven – das alles in überragender Qualität,. Der virtuose Umgang mit Technik hält jedem Vergleich mit ausgefeilten Video-Clips stand – mit dem Unterschied, dass in Moers nichts vorproduziert ist, sondern 100 Minuten lang alles in Echtzeit gespielt, geschnitten, gesendet wird. Dass es auf dieser Daten-Autobahn eventuell auch mal zu einem kurzen Stau kommen kann: geschenkt!

Termine: 7.3. u. 21.3. (18 Uhr); 13.3. u. 27.3. (19.30 Uhr). Tickets gibt es diesmal über die Streamingplattform „dringeblieben.de“. Im Internet eingeben: https://dringeblieben.de/schlosstheater-moers/videos