Gelsenkirchen. Schriftstellerin Nino Haratischwili übernimmt mit dem Stück „Löwenherzen“ eine Auftragsarbeit für das Consol-Theater in Gelsenkirchen.

Die Schauspielhäuser sind geschlossen – doch das Theater lebt! Das zu beweisen, auch sich selbst, oder auch nur daran zu erinnern, hat sich das Consol-Theater in Gelsenkirchen zu einem außergewöhnlichen Schritt entschlossen. Statt weiter auf ein ungewisses Ende des Corona-Lockdowns zu warten und der Zuschauer-Gemeinde bis dahin spezielle Online-Angebote vorzulegen, setzte man am Sonntag an der Bismarckstraße auf eine richtige „Premiere“.

Freilich mit einer Besonderheit. Die von Andrea Kramer eingerichtete Uraufführung von Nino Haratischwilis Stück „Löwenherzen“, die im Rahmen des „Theaters für junges Publikum“ ursprünglich bereits für September geplant gewesen war, fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter strengster Beachtung der Hygieneauflagen statt. Das Premierenpublikum bestand allein aus Mitarbeitern des Hauses und – auf die Plätze, Maske, los! – einigen wenigen Medienvertretern.

Nino Haratischwilis Stück „Löwenherzen“ war eine Auftragsarbeit

Mit der vielfach ausgezeichneten Dramatikerin und Erzählerin, deren Romane auch schon für den Deutschen Buchpreis nominiert waren, ist es dem Consol-Theater dank Unterstützung durch die Kulturstiftung NRW zum dritten Mal nach Sibylle Berg und Roland Schimmelpfenning gelungen, literarische Prominenz für eine Auftragsarbeit zu gewinnen.

Vorn drei Holzkisten, eine niedrige Zirkus-Plattform, dahinter eine begehbare Wand und eine gewaltige Scheibe, die auch als Projektionsfläche für eine stilisierte Landkarte dient, dazu ein paar große Plüschtiere - mehr braucht es nicht an Ausstattung (Stefanie Stuhldreier) für eine fantasievolle Abenteuerreise durch die halbe Welt. „Löwenherzen“, ein Stück für Menschen ab 11 Jahren, beginnt im Dritte-Welt-Land Bangladesh. Der neunjährige Anand, der gern zur Schule gehen, in einer menschenwürdigen Wohnung leben und später ein berühmter Magier werden möchte, arbeitet in einer Fabrik für Plüschtiere. Einen schiefäugigen Löwen hat er selbst genäht. Um seine Wünsche wahr werden zu lassen, schreibt Anand einen Brief an Gott, der bekanntlich nur in Europa leben kann, und beauftragt diesen Löwen mit der Überbringer-Mission. Unterwegs trifft das Stofftier auf andere Kinder in unterschiedlichen sozialen Lebensumständen.

Zum Schluss kehrt der Löwe heim nach Bangladesh

Drei Darsteller (Thomas Kaschel, Sibel Polat, Eric Rentmeister) spielen diese Kinder, geben zudem den Plüschtieren Stimme und Ausdruck. Immer wieder wird der schielende Löwe auf seiner Reise weitergereicht; er landet im Senegal, in Mali, kommt entlang der Flüchtlingsroute nach Spanien und Frankreich. Und wo immer er Station macht, er weckt, Hoffnungsträger und Glücksbringer zugleich, die „Löwenherzen“ in allen Kindern, die stark sind und visionäre Lösungen für sich und andere finden. Zum Schluss kehrt der Löwe heim nach Bangladesh, wo auch Anands Wünsche in Erfüllung gehen. Und er hat sogar einen Antwortbrief von Gott mitgebracht.

Diese optimistische „One-World“-Sicht durch Kinderaugen, die rein spielerisch und ohne pädagogischen Zeigefinger vermittelt wird, hat auch für deutlich über 11-Jährige einen ungemeinen optischen Reiz. Immer wieder malen die Darsteller knappe Skizzen auf die Wand, ein Fahrrad etwa oder die Andeutung eines Raumschiffs, und wie von Zauberhand gehen diese Strichzeichnungen nahtlos in animierte Schwarzweiß-Bilder über. Die holprigen, flackernden Projektionen erinnern an die ersten Trickfilm-Versuche aus einer Zeit, als die Bilder gerade laufen gelernt hatten. Großartig.

Wann auf die Premiere die nächste Aufführung erfolgt, kann niemand voraussagen. Online gestellt wird „Löwenherzen“ nicht.

Infos unter http://www.consoltheater.de​