Duisburg. Geboren, aufgewachsen in der DDR, gelebt in Duisburg und Wort für Wort bewandert in der Kunst der Grenzüberschreitung: Barbara Köhler.
Barbara Köhler ging an Grenzen - und über sie hinweg. Die 1959 bei Chemnitz geborene Textkünstlerin lebte in den letzten Jahrzehnten in Duisburg und viel mehr noch für ihre unermüdlich voranexperimentierende Weise, Worte in den Raum zu stellen, sie mit bildender Kunst und Klang zu vereinen. Schon in ihren Anfängen als Lyrikerin durchleuchtete Barbara Köhler in Versen und Prosagedichten die Lage des Einzelnen in der entfremdeten Massengesellschaft, das Ich und seine Sprache, ja seine sprachliche Konstruktion.
In der DDR hatte Barbara Köhler eine Ausbildung für „textile Flächenerstellung“ absolviert und auch die am Leipziger Literaturinstitut. Gleich ihr erster Gedicht-Band „Deutsches Roulette“ machte 1991 Furore, ihre Texte seien „unverwendbar für die Gegenwart und unverwundbar für die Zukunft“, hieß es treffend in einer Rezension.
In „Niemands Frau“ kulminierte Barbara Köhlers Werk
Das Fließenwollen, das Grenzüberschreiten ihrer frühen Gedichte spiegelte sich im Ineinanderlaufen von Bedeutungseinheiten, im gleichberechtigten Nebeneinander der Worte. Nach ihrem Umzug in den Westen 1994 betrieb Barbara Köhler eine beständige Erweiterung ihres Schreibbegriffs. Sie verfasste Katalogbeiträge für Kunst-Ausstellungen in Krefeld, Bochum und Berlin, schuf Textinstallationen, etwa für den Rathausturm in Witten/Ruhr oder den Düsseldorfer Landtag.
Barbara Köhler mochte sich nicht festlegen lassen auf Schwarz-Weiß-Gegensätze zwischen Mann und Frau, Subjekt und Objekt. Wie verflochten alles miteinander ist, erkundeten ihre Bücher „Blue Box“ und „Wittgensteins Nichte“, vor allem aber in dem 2007 erschienenen Band „Niemands Frau“, in dem sie mit der Reflexion des ersten Ichs in der Literatur, Homers Odysseus, ihren kritischen Blick auf die Geistesgeschichte durchbuchstabierte.
Überschreibung von Eugen Gomringers „Avenidas“
Zuletzt geriet die mit mehreren Poetik-Dozenturen geehrt Barbara Köhler ins Scheinwerferlicht, als sie nach dem Streit um Eugen Gomringers Gedicht „Avenidas“ an der Fassade der Berliner Alice-Solomon-Hochschule ein Gedicht zum Überschreiben entwarf, das versöhnlich zwinkernd auf Gomringers Gedicht anspielte.
Barbara Köhler hat lange mit einer schweren Krankheit kämpfen müssen, die sie schließlich dazu zwang, am vergangenen Freitag zum letzten Mal eine Grenze zu überschreiten. Sie wird sehr fehlen.