Essen. Mit „Evermore“ veröffentlicht Taylor Swift den zweiten Teil von „Folklore“. Die neue Platte liefert einige Hits - aber auch viel Mittelmaß.

„Wir hatten die Wahl: Umdrehen und zurückgehen oder tiefer in den Wald dieser Musik reisen.“ Das sagt US-Musikerin Taylor Swift auf Instagram zur Entstehungsgeschichte ihres Albums „Evermore“. Weniger als ein halbes Jahr nachdem „Folklore“ aus dem Nichts veröffentlicht wurde, folgte am Freitag das „Schwesteralbum“, wie es die Sängerin selbst nennt. Das Prädikat passt, im Positiven wie im Negativen: „Evermore“ klingt oft wie die Resterampe von „Folklore“ - und explodiert hier und da völlig unerwartet mit Hits, Tiefgang und der „neuen“ Taylor Swift.

Erdig und mit Kanten: Die alte Taylor in neuem Gewand

Eigentlich klingt „Evermore“ wie Taylor Swift schon immer klang - eigentlich. Alle Zutaten sind da, bloß die Zubereitung ist anders. Eingängige Melodien, simple Harmonien sind plötzlich nicht mehr überproduziert, sondern erdig eingespielt mit präpariertem Klavier, wohldosierten Synthesizern und einer „Studio-Sessionromantik“, die so gar nicht zu der alten Hochglanz-Tai-Tai passt: Mit „Evermore“ schließt Swift nahtlos an „Folklore“ an. Viel Harmoniegesang, hin und wieder eingängige Instrumentallicks.

Sanft und leise: Taylor Swift ganz ungewohnt

Die drei stärksten Nummern des Albums bestechen mit denselben Stärken wie die Hits auf „Folklore“. Auf „Tis the damn season“ ist der Bass plötzlich Harmonieinstrument (wie bei „Peace“ auf „Folklore“), „Happiness“ gleitet auf synthetischen Orgelsounds so sanft dahin wie keine Swift-Nummer bis heute, „Ivy“ schmeichelt Ohren und Gefühlen mit einer eingängigen Melodie und eng gesetzten Chorpassagen.

Und trotzdem: An den hohen Standard von „Folklore“ reicht „Evermore“ nicht heran. Mit Haim, The National und Justin Vernon („Bon Iver“) sind auf dem neue Album drei Gastkünstler mit von der Partie, die drei zugehörigen Lieder sind aber bestenfalls belanglos. Das überrascht vor allem im Falle von Justin Vernon, hatte der mit „Exile“ auf dem letzten Album doch noch einen echten Hit hingelegt.

In seinen besten Momenten ist „Evermore“ so gut wie „Folklore“ - doch auch nur dann. Taylor-Swift-Fans kommen zweifellos trotzdem auf ihre Kosten - alle anderen Hörer können sich immerhin über drei bis vier großartige Songs freuen.