Wolfgang Welts geniale Musik-Texte sowie Erzählungen und Texte über Literatur: Zwei Bände mit Texten des Lebensaufschreibers aus Bochum.
Eine Woche lang ging Wolfgang Welt 1982 mit den Hardrockern von „Motörhead“ auf deren „No Sleep ‘Til Hammersmith“-Tournee durch England – er musste mal vor die Tür und spekulierte auf ein Interview mit den „Motörhead“-Kolleginnen von „Girlschool“. Welt schrieb eine gut gelaunte, ironiegetränkte Reportage über seine Reise mit den Helden des Lärms und der Trinkgelage – um seinen Text dann enden zu lassen mit einer Frage an den Band-Chef: „Nur Lemmy, warum macht ihr eigentlich so schreckliche Musik?“
Buddy Holly, Springsteen und die Stray Cats
Auf dem Terrain des Musikjournalismus war Wolfgang Welt (1952-2016) in seiner Glanzzeit einer der Größten in seiner einmaligen Mischung aus Kenntnis und Subjektivität, Einfühlung und Polemik („bosselt verklemmt mit Versmaßen rum, als sei er Heinrich Heine,“ schrieb er etwa über Heinz Rudolf Kunze). Welt schrieb über Springsteen und Müller-Westernhagen, über sein vergöttertes Idol Buddy Holly, die Stray Cats oder Kenner-Tipps wie Carolyne Mas oder Warren Zevon.
Martin Willems, Mitarbeiter am Düsseldorfer Heinrich-Heine-Institut, das Welts Nachlass bewahrt, hat nun den längst vergriffenen Welt-Sammelband „Ich schrieb mich verrückt“ ersetzt durch zwei umfangreiche Bände. Da ist zum einen „Kein Schlaf bis Hammersmith“ umfasst Welts Musikkritiken, -Reportagen und Interviews für Marabo, Sounds oder den Musikexpress, ergänzt um einige neue Funde. Gut, dass der Herausgeber Willems hier stillschweigend Grammatik- und Rechtschreibfehler ausgemerzt hat, die in den Wiederabdrucken von „Ich schrieb mich verrückt leider noch vorhanden waren.
Vorbilder Peter Handke und Hermann Hesse
Zum anderen der Band „Die Pannschüppe“ (wie auch Welts Fußballverein SuS Wilhelmshöhe 09 genannt wurde, dessen Vorsitzender sein Vater war) – er wiederum enthält Kritiken, Interviews, Porträts und Artikel über Literatur sowie einige Erzählungen von Welt. Die titelgebende Erzählung ist abgeschlossen, das gleichnamige Romanprojekt Welts aber blieb Fragment. Der Band umfasst auch vier Romananfänge aus dem Nachlass sowie vier Hörproben, die via QR-Code abgerufen werden können.
Aber so gut wie nichts von alledem ist Fiktion, es beruht restlos alles auf den Erlebnissen und Erfahrungen, den Überlegungen, Sehnsüchten und Enttäuschungen dieses besessenen Lebensmitschreibers, der sich sein Scheitern fest vorgenommen hatte: „Ich werde mein ganzes Leben aufschreiben“. Das führt nicht nur notwendigerweise zu Lücken, sondern auch zu gar nicht so seltenen Wiederholungen. In seiner entwaffnenden Ehrlichkeit hatte Welt aufgeschrieben, dass er früh Schriftsteller werden wollte, nachdem er Peter Handke und Hermann Hesse gelesen hatte. Er wusste nur nicht, worüber er schreiben sollte. Also wurde es „mein ganzes Leben“.
Wolfgang Welt: Kein Schlaf bis Hammersmith und andere Musiktexte. 363 Seiten; Die Pannschüppe und andere Geschichten und Literaturkritiken. 397 Seiten. Beide von Martin Willems herausgegeben im Verlag Andreas Reiffer, beide 20 €.