Essen. Unser Autor Bert Giesche hat die Sprach-Kolumne „Lost In Translation“ in ein Buch verwandelt. Was Sie schon immer über Englisch wissen wollten...
Ist Ihnen auch schon mal ein weißer Elefant über die gläserne Decke getrampelt, nachdem er zuvor mit dem goldenen Fallschirm abgesprungen war? Dann sind sie ja bestens vertraut mit all den Anglizismen, die sich immer wieder ins Deutsche einnisten. Sie entstammen dem eigentümlichen Spannungsverhältnis zwischen deutscher und englischer Sprache, das nicht nur für den gegenseitigen, manchmal sogar fruchtbaren Austausch von Wörtern und Redensarten sorgt, sondern auch für eine Unzahl von falschen, schiefen oder unpassenden Übersetzungen – im Vergleich zum Original geht da oft viel verloren.
Eine geradezu überbordende Sammlung solcher Kuriositäten aus dem Reich zwischen Punkt und Komma liefert nun das kluge Buch „Lost In Translation …oder warum schläft der Polizist auf der Straße?“, das der Oberhausener Autor, Journalist und Scrabble-Spieler Bert Giesche geschrieben hat.
Ein Crashkurs für Sprachliebhaber
Dabei handelt es sich um die erweiterte Fassung jener Kolumnen, die er unter dem Titel „Lost In Translation“ zwischen 2018 und 2020 im „Digitalen Sonntag“, dem E-Paper der Funke-Mediengruppe in NRW, veröffentlicht hat – treuen Lesern wird also einiges bekannt vorkommen. Allerdings stecken in den insgesamt 99 Sprachglossen, die nun in gedruckter Form vorliegen, 20 bisher unveröffentlichte Texte, mithin reichhaltiges Bonus-Material, das allein schon den Kauf wert wäre.
Um jetzt gleich mal die Rätsel um die eingangs erwähnten Begriffe aufzulösen: Der „white elephant“ ist schon ein Klassiker unter den Anglizismen, er steht für ein schönes, aber nutzloses und teures Ding – „etwa für ein Stadion, das nach der WM niemand mehr braucht und das trotzdem aufwendig in Schuss gehalten werden will“, so Giesche. Auch der Begriff „alter, weißer Mann“ wird hier aufschlussreich erklärt, gleichwohl er wenig mit dem Elefanten gemein hat. Die „gläserne Decke“ erklärt sich fast schon von selbst: Die „glass ceiling“ beschreibt jene Barrieren und Hindernisse, denen Frauen begegnen, wenn sie in den Chefsessel wollen – und offiziell würde kein Verantwortlicher ihre Existenz bestätigen. Der „goldene Fallschirm“ ist eigentlich überflüssig, denn viele Jahre lang kannte man diesen „golden parachute“, also eine Abfindung für Manager, bei uns als „goldenen Handschlag“.
Die seltsame Kontinentalvermehrung
Aber das Kolumnen-Kompendium geht natürlich weit über solche Dinge hinaus, man kann es durchaus leicht als umfassenden Crashkurs (!) in popkultureller Bildung benutzen, weil Giesche ein unerschöpflicher Wissenssammler in Büchern, Filmen, Fernsehserien, Popsongs, Cocktailbars, Supermärkten und der gesamten Alltagskultur ist.
Ein Beispiel aus den „Simpsons“, einer nicht gerade selten als Referenz herangezogenen Zeichentrickserie: Als Homer am Globus dreht, ruft er seiner Frau politisch äußerst unkorrekt zu: „Marge, es gibt ein Land, das heißt Dubistschwul“ – was jeden Übersetzer vor eine unlösbare Aufgabe stellt, denn wie hätte man das Land Uruguay und das umgangssprachliche „U r gay“ im Deutschen zusammenführen können, ohne den Wortwitz zu zerstören? Wo wir gerade bei der Geografie sind: Auch im ansonsten sehr faktensicheren Magazin Spiegel entdeckte Giesche, dass „Schüler seit eh und je lernten, dass die Erde sieben Kontinente habe“. Und da war er erstmal „tektonisch platt“. In Deutschland war das bislang völlig unbekannt, denn wir unterteilen die Welt bekanntlich in fünf Kontinente. Die seltsame Kontinentalvermehrung verdanken wir aber der unüberprüften Übernahme aus der englischsprachigen Welt, die etwas kleinteiliger vorgeht und Nord- und Südamerika als eigene Kontinente ansieht – und die Antarktis wird auch hinzugezählt. So erschüttern Übersetzungsfehler glatt unser Weltbild.
Das Rätsel der „Champagne Supernova“
Giesche flaniert mit bewundernswerter Leichtigkeit durch die popkulturell einflussreichsten Medien der vergangenen Jahre und Jahrzehnte, neben den Simpsons fand er reichlich Nerd-Stoff bei der „Big Bang Theory“ (wo aus dem Supermarkt-Treffpunkt „7-eleven“ die Uhrzeit elf nach sieben wurde), bei „How I Met Your Mother“, den „Blues Brothers“, bei „Big Lebowski“, „Star Wars“, „Mash“ und „Zurück in die Zukunft“. Er durchforstete akribisch die übersetzten und originalen Bücher von Autoren wie Donna Tartt, Stewart O’Nan, Jonathan Franzen – und brachte jeweils seine eigenen „Korrekturen“ dort an. Und er löste das Rätsel um Oasis mit ihrer „Champagne Supernova“ und um David Bowies „milk float“-Zeile in „Rock’n’Roll Suicide“.
Was Giesche hier zusammenträgt, kuratiert und pointiert kommentiert, sind Berge von Übersetzungs-Pleiten, -Pech und -Pannen, von Sprach-Kuriositäten und -Auswüchsen, die man nicht mal eben auf die Schnelle im Netz zusammengoogeln kann. Es sind mehrere tausend Stunden mühevoller, aber gewiss auch unterhaltsamer Recherche bei der Durchsicht all dieser schönen Kunstwerke in dieses Buch eingeflossen. Und am Ende erhält man nicht nur eine extrem amüsante Kolumnensammlung, sondern viele, ganz neue Einblicke in unsere heutige Sprach- und Medienwelt – aus der das Englische ja auch wegen der globalen Vernetzung nicht wegzudenken ist.
Es ist bestimmt nicht weit hergeholt, wenn man die Texte von Giesche in die Nähe von Bastian Sick rückt, der in den 90er-Jahren die deutsche Sprache ordentlich und sehr verdienstvoll durchforstete. Denn was Sick damals für „Den Dativ...“ war, ist Giesche… Ja, wie soll man das nun sagen? Machen wir’s mit in falschem Deutsch: „Der Giesche ist dem Übersetzungsfehler sein Tod.“
Bert Giesche: Lost In Translation - oder warum schläft der Polizist auf der Straße?, Klartext-Verlag, 208 Seiten, 16,95 €