Jonas Jonassons neuer Roman heißt „Der Massai, der in Schweden noch eine Rechnung offen hatte“ – und unterhält nach bewährtem Bestseller-Muster.
Wie schön es ist, wenn alles einfach ist! Denn obwohl die Relativsatz-Titel der Bestseller von Jonas Jonasson („Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“) Komplexität vortäuschen, obwohl die nunmehr fünf Romane durch Raum und Zeit reisen, über Jahrhunderte und Kontinente hinweg, gelingt es dem Schweden doch jedes Mal aufs Neue, sein Wimmelbild der Weltgeschichte mit beruhigend klarem Strich zu zeichnen.
Wenn er nun eine von den Nazis verachtete Expressionistin, einen nationalistischen schwedischen Kunsthändler und einen afrikanischen Massai zusammenbringt, dann bleibt am Ende einer so abstrusen wie unterhaltsamen Story erneut eine eingängige Botschaft übrig: Die Freiheit der Kunst ist zu verteidigen! Und unter allen Umständen vor politischer Propaganda sowie vor Profitgier zu bewahren (was eventuell dann nicht gilt, wenn die Kunst einem Massai-Dorf zu Wohlstand verhilft).
In der Haltung des ewigen Durchblickers liegt einer der Schlüssel zu Jonassons Erfolg, in seiner Fähigkeit, Geschichte zusammenschnurren zu lassen auf ganz einfache Zusammenhänge. Der verkrachte Maler Adolf Hitler mag die Expressionisten nicht, darunter hat auch die Künstler Irma Stern zu leiden, die 1894 als Tochter deutsch-jüdischer Einwanderer in Südafrika geboren wird und, statt gebührend gefeiert zu werden, in einem kleinen Dorf den Jungen Ole Mbatian malt.
Die „Rache ist süß“-GmbH soll einem Kunsthändler die Hölle heiß machen
Dieses Bild wird dessen Ziehsohn Kevin in die Hände fallen, der wiederum von seinem leiblichen Vater, einem Stockholmer Kunsthändler, den afrikanischen Löwen zum Fraß vorgeworfen wurde, aber dummerweise überlebt hat und nun mit Hilfe der „Rache ist süß“-GmbH seinem Erzeuger die Hölle heiß zu machen sucht.
Mit dabei die Ex-Frau des Kunsthändlers, die über die monetären Auswirkungen ihrer Scheidung weit weniger empört ist als über den verstaubten Kunstgeschmack ihres Ex-Gatten, der in seiner Verachtung einen Monet nur dann erkennt, wenn das Bild in Seerosen schier ertrinkt. Kurz: Es geht um den neu aufkeimenden Nationalismus in Europa, um die ur-menschliche Rachlust und um die Kapriolen eines aus dem Ruder gelaufenen Kunstmarktes, dazu noch um die gefährlichste Waffe der Welt, die sich „soziale Netzwerke“ nennt.
Zwar ist manche Situationskomik arg erwartbar – das Bild vom Massai, der für fünf Kühe ein Flugticket nach Stockholm kauft und dort in Sandalen und Umhang bei Minus 15 Grad ankommt, ist dann ungefähr so subtil wie dessen Wurfkeule, mit der er auf 50 Meter Entfernung einen Wasserbüffel treffen kann (oder einen schwedischen Kunsthändler). Auch der geschiedene Polizist Carlander, der kurz vor der Pensionierung steht und beim Feierabendbier in der Kneipe „Hundert Jahre Einsamkeit“ liest, ist aus archetypisch hartem Holz geschnitzt.
Ein explosives Gefühls-Gemisch führt direkt zum Scherbenhaufen
Doch wie Jonasson seine Figuren aufeinanderprallen lässt, wie rasant er aus deren Gefühlslagen ein explosives Gemisch zusammenbraut, nur um dann aus den leider entstandenen Scherben ein kunstfeines Mosaik zu verfertigen – das hat durchaus mitreißenden Witz.
Jonas Jonasson: Der Massai, der in Schweden noch eine Rechnung offen hatte. C Bertelsmann, 400 S., 22 €.