Bochum. Der Taiwanese Tung-Chieh Chuang (38) übernimmt die Leitung der Bochumer Symphoniker. Jetzt stellte er sich mit einem Konzert vor.

Agil, smart, freundlich, selbstbewusst: Über Mangel an Sympathien dürfte sich Tung-Chieh Chuang nicht beklagen, wenn der 38-jährige Taiwanese in der kommenden Saison die Leitung der Bochumer Symphoniker übernehmen wird. Er löst damit Steven Sloane ab, der das Orchester über 26 Jahre hindurch zu einem Klangkörper von überregionaler Bedeutung geformt hat und sich dann auf seine vielfältigen Aufgaben in Berlin, Malmö und Jerusalem konzentrieren wird.

Eine Hypothek, die seinen Nachfolger offenbar nicht belastet, wie Chuang jetzt in seinem mit Spannung erwarteten Gastauftritt im Anneliese-Brost-Musikforum zeigte. Mit seiner jugendlich-sportiven Vorstellung läutet er einen natürlichen Generationswechsel ein, wobei er sich auf ein vorzüglich aufgestelltes Orchester verlassen kann. Auch wenn die erzwungene Corona-Zäsur auch an den Bochumer Symphonikern Spuren hinterlassen hat.

Tung-Chieh Chuang geht nach der Corona-Pause musikalische Risiken ein

Insofern zeugt es von Mut, das Konzert mit Francis Poulencs 1948 uraufgeführter Sinfonietta zu eröffnen. Ein dicht instrumentiertes Werk, das gleichwohl in seiner neoklassizistisch transparenten Tonsprache einem federnd luziden Spitzentanz ähneln müsste. Diesen Spagat mit einem Orchester, das man noch nicht intensiv kennt, nach der Corona-Pause quasi aus dem Stand zu stemmen, ist nicht leicht und birgt manches Risiko. Und so muss man Chuang (noch) nachsehen, dass seine Interpretation stärker auf voluminöse Breitklangwirkung ausgerichtet war als auf filigrane Transparenz, mehr auf romantisch angehauchte Ausdruckstiefe als auf ironische Distanz.

Interessant, dass Chuang im anschließenden 1. Klavierkonzert von Johannes Brahms stellenweise feinere und leisere Töne anschlug als in der Sinfonietta. Den Kontrast zwischen dem eruptiv aufbrausenden Hauptthema und dem geradezu hingesäuselten Seitensatz in der Orchestereinleitung des Kopfsatzes profilierte er überdeutlich, womit er erkennen ließ, dass er sich nicht nur als Begleiter des Solisten versteht, sondern eigene Akzente setzen will. Den Solopart gestaltete mit Herbert Schuch einer der interessantesten und innovativsten Pianisten nicht nur seiner Generation. Ein Musiker, dem es nicht an der nötigen Kraft und Sensibilität für die Stimmungswechsel des Werks fehlt, ohne jedoch die Kontraste zu überdehnen und den stilistischen Zusammenhalt der großräumigen Sätze zu gefährden.

Man darf sich auf einen Musikchef freuen, der für Überraschungen sorgen wird

Fazit: Mit Tung-Chieh Chuang dürfen sich die Bochumer Musikfreunde und natürlich auch die Symphoniker auf einen sympathischen, ehrgeizigen und von jugendlichem Feuer beflügelten Musikchef freuen, der für viele Überraschungen sorgen wird. Mit Sicherheit nicht für Langeweile und Stillstand.