Düsseldorf. Henrik Ibsen und die Klimakrise: Autor Lothar Kittstein und Regisseur Volker Lösch bringen den „Volksfeind for Future“ auf die Düsseldorfer Bühne.
Manches versteht der Mensch eben nur, wenn es mit dem Holzhammer vorgetragen wird. Autor Lothar Kittstein und Regisseur Volker Lösch hauen, klopfen, hämmern in greller Buntheit: Düsseldorf feiert den Zuschlag fürs Tesla-Werk, aber ausgerechnet die Tochter der grünen Oberbürgermeisterin ist Wortführerin der jugendlichen Gegner – ein Autowerk ist ein Autowerk ist ein Autowerk, „E“ hin oder her. Sieht es zuerst so aus, als überzeuge ihre Kritik Medien und Politik, so kippt die Stimmung doch bald. Die junge Aktivistin wird von der eigenen Mama zur Volksfeindin erklärt.
Henrik Ibsen liefert mit seiner dramatischen Vorlage alles, was ein heutiges Stück zur Klimakatastophe und zur Corona-Krise braucht: Die Gier nach Profit, die kapitalistische Maxime des ewigen Wachstums haben das eine wie das andere verursacht. So jedenfalls rufen es uns eindrücklich die Schüler und Studenten der Region entgegen, per Video und überlebensgroß und so schwarz-weiß, wie ihre Ansichten erklärtermaßen sind – Welt retten oder untergehen, darum geht es.
Großartig: Schauspielerin Cennet Rüya Voß als radikale OB-Tochter
Später wird es Schauspielerin Cennet Rüya Voß als radikale OB-Tochter eindrücklich gelingen, diese Wut auf die Bühne zu übertragen: In einer Volksabstimmung gelingt es ihr, das Publikum zu umweltbewegten Abstimmungen zu bewegen, wenngleich es auch den letzten Schritt verweigert: Nein, den eigenen Autoschlüssel möchte denn doch niemand abgeben, wie dann nach Hause kommen? Auch scheint es etwas arg, dass der Bruder (Charlie Schrein) in der Schauspielhaus-Tiefgarage Autos zertrümmert, und der Vater (Glenn Goltz) zur vollständigen Abkehr von allen wirtschaftlichen Interessen aufruft.
Die Versammlung ist dramaturgischer Höhepunkt eines Abends, der technisch aufwändig bonbonfarbene Holzautos auf und ab tanzen lässt und seine Figuren ganz ähnlich holzschnittartig aufstellt: Die Chefredakteurin der örtlichen Zeitung (Claudia Hübbecker) ist der eigene Joberhalt denn doch näher als der Umweltschutz, der Geschäftsführer des Autowerks (Rainer Philippi) schreckt vor Erpressung nicht zurück, der Betriebsrat (Jonas Friedrich Leonhardi) ist auto-erotisch dem Motorensurren verfallen: „Der Diesel ist noch lange nicht ausgereift.“ Spannend und dynamisch agieren Minna Wündrich als grüne Polit-Karrieristin und Glenn Goltz als ihr wachsweicher Hausmann.
Doch Volker Lösch lässt auch diesen Konflikt im Sande verlaufen, nachdem er seinem Publikum durchaus spannende Fakten zum Thema E-Auto untergejubelt hat, etwa den Wasserverbrauch beim Batterie-Bauen und die Zulassungszahlen der vergangenen Jahre. Die Konfliktlinien zwischen Realpolitik und dem, was den Planeten noch retten könnte, zeigt der bunte Spaß durchaus auf. Wo Ibsen einst seinen Figuren Raum für Konsequenzen gab, sehen wir nun auf der Bühne nichts als Reifen-Berge und einen Irren mit Donald-Trump-Frisur, der alles abknallt, was noch zuckt. Am Ende wird die Oberbürgermeisterin im regenbogenfarbenen Pelz erkennen, dass das eigentliche Problem die ständige Reproduktion der umweltzerstörenden Menschheit ist – und immerhin originelle, wenn auch Klamauk-kompatible Schlüsse ziehen.
Termine: www.dhaus.de