Essen. Till Brönner mit großartiger Band in der Essener Philharmonie, ein Garderobenbesuch von Catherine Deneuve, ein Geständnis über Songs ohne Text.
Der Hauch von Melancholie sollte fast bis zu Ende bleiben über diesem Konzertabend, auch wenn er grandiose Musiker aufzubieten hatte, voller Freude am Perfekten, vom reinen Musikhandwerk bis zum inspirierten Wechselspiel. Denn eigentlich sollte Till Brönner ja im Frühsommer zum 12. Mal beim Klavier-Festival Ruhr spielen, eigentlich mit Bob James – und eigentlich vor voller Hütte.
Duke Ellingtons „In A Sentimental Mood“
Im coronagetrübten Spätsommer aber musste am Montagabend jeder zweite bis dritte Platz in der Essener Philharmonie freibleiben, musste sogar Brönners Trompete Maske tragen - und der erste Titel des Abends, Duke Ellingtons „In a Sentimental Mood“, gab die Stimmung zur blauen Stunde vor.
Wie so oft bei den jazzenden „Piano Friends“, die Till Brönner schon zum Festival gelockt hat, war allerdings auch in Olaf Polziehn für manche eine echte Entdeckung zu machen: Ein stilsicherer Tastenmann mit kristallklarem, bisweilen rasierklingenscharfen Anschlag, nie aufdringlich und doch virtuos im Zusammenspiel erkennbar.
„Europa“ von Carlos Santana
Brönner unternimmt Spaziergänge im Blues, im Swing der 30er (mit Tony Bennets „The Good Life“), im soundtapezierten Fusion-Jazzrock (Brönners „Return The Fold“) und im federleichten Latin-Jazz (Toninho Hortas „Aquelas CoisasTodas“ mit viel Drive und genial sparsamen Tenorsaxophoneinwürfen von Mark Wyand, caramba!). Und Brönners Trompete, die ja ohnehin gern so klingt, als hätte sie gerade erst eine halbe Packung Gauloises gequalmt, wird den ganzen Abend über kaum diesen elegischen, melancholischen Unterton verlieren, bis hin zu Carlos Santanas „Europa“, das die siebenköpfige Könnerschar mit großer Lust auseinandernimmt und wieder zusammensetzt. Sie tun es so, dass dieser Song aus der zwischenzeitlichen Egolalie wieder Struktur gewinnt, bis hin zum leisen Ausklang – ein musikalisches Spiegelbild?
Catherine Deneuve fand Brönner „wonderful“
Wir erfahren noch kurz, dass Brönner (49) Michel Legrands „La valse des lilas“ nicht nur in Essen, sondern auch im Pariser „Olympia“ gespielt hat, was ihm einen Garderobenbesuch von Catherine Deneuve einbrachte („You Are Wonderful“, soll sie gesagt haben - und wieder abgerauscht sein). Und dass der Trompeter nie so intensiv spielt wie in jenen Liedern, in denen er sich von jenem Text gemeint fühlt, der gar nicht erklingt, weil das Instrument an die Stelle der Stimme tritt.
Und Pharrell Williams „Happy“ als Zugabe
Am Ende, nach gut 75 Minuten und stehenden Ovationen, gibt’s aber doch noch eine fette Portion gute Laune mit Pharrell Williams‘ Mega-Hit „Happy“ und einem Schlagwerk-Solo von David Haynes, das nicht wie sonst so oft den anderen eine Zigarettenpause verschaffen sollte, sondern einen Prädikats-Drummer offenbaren. Und zum Glück nahm das Festival an diesem Abend Abstand vom blumenaushändigenden Roboter; statt des hygienischen Stimmungskillers bekam happy Brönner die Sträuße für seine Bandkollegen vom Blumenmädchen an der Rampe zugeworfen.