Münster. Das Naturkundemuseum Münster stellt die ganz großen Fragen: Woher kommt der Mensch, was macht ihn aus – und wird er seine Probleme lösen können?

Die Frau hustet! Hinter Hüttenwänden verborgen kränkelt, eindeutig hörbar, eine frühe Bauersfrau: Denn damals, als der Mensch vom Jäger zum Viehzüchter wurde, sprangen auch die ersten Viren auf ihn über. Mangelernährung dank einem Übermaß an Getreide kam hinzu, auch Gelenkverschleiß durch Ackerbau. Kurz: Die Sesshaftigkeit barg ungeahnte Risiken.

In Zeiten, in denen auch das Naturkundemuseum Münster nur mit Mundschutz betreten werden darf, ist der Ausstellungstitel „Überlebenskünstler Mensch“ ganz klar ein Mutmacher: Wie der moderne Mensch sich in den vergangenen 300.000 Jahren immer wieder neuen Herausforderung gestellt hat, das erzählen die Ausstellungsmacher auf 1200 Quadratmeter und in rund 1000 Objekten. Darunter finden sich Raritäten wie eine Tontafel mit Keilschrift aus Uruk oder der Sonnenkompass von Robert Falcon Scott, der sich mit Roald Amundsen 1911 einen Wettlauf zum Südpol lieferte oder ein In-Ear-Kopfhörer des Astronauten Jack Swigert, der bei der Apollo-13-Mission dabei war.

Wie hat der Mensch es geschafft, sich in der Welt zu behaupten?

Tontafel, Kompass, Weltraumtechnik? Es geht um die Eroberung von Lebensräumen, der rote Faden ist eine Frage: Wie hat der Mensch es geschafft, sich in der Welt zu behaupten – und wird er dies weiterhin tun können?

Die Museumsgäste können einer Schamanin beim Geschichtenerzählen zusehen und in einem Setzkasten verschiedene Erfindungen des Menschen entdecken.
Die Museumsgäste können einer Schamanin beim Geschichtenerzählen zusehen und in einem Setzkasten verschiedene Erfindungen des Menschen entdecken. © LWL-Museum für Naturkunde | Christoph Steinweg

So vergleicht die Schau, die vor allem für Familien und Schulklassen eine Art begehbares Bilderbuch darstellt, zunächst Mensch und Tier – geeint durch den Spieltrieb ebenso wie die Fähigkeit zu sozialen Interaktionen. Die Sprache aber ermöglichte es unseren Vorfahren, auch komplexe Zusammenhänge (Papa, wie baue ich eine Axt?) zu erläutern und so über Generationen weiterzugeben. Wie das Geld in die Welt kam, zeigt die Schau ebenso wie besagte Tontafel, die um rund 3000 vor Christus eine Art Abrechnung darstellt, es geht um Bier und Getreide. Einkünfte, Ausgaben, Organisatorisches: Das komplexer werdenden Leben in größeren Gemeinschaften also ließ den Menschen die Schrift erfinden.

Von Beamten und Abenteurern

Und doch ist er nicht nur Beamter: Abenteuergeist trieb ihn zum Südpol, in den Weltraum, unter Wasser – oder in die Wüste. Wenn auch die Tierwelt im Lebensraum Sahara eine etwas bessere Figur zu machen scheint (hier besinnt sich das Naturkundemuseum auf seine pädagogischen Wurzeln): Flughühner tanken Wasser in ihrem Brustgefieder und legen täglich bis zu 80 Kilometer zurück, um den Durst des Nachwuchses zu löschen, die Mendesantilope folgt den Regenwolken, Skorpione können ein Jahr lang ohne Nahrung auskommen.

Haben wir zu Anfang gelernt, dass der Mensch ein moralisches ebenso wie spirituelles Wesen ist und damit so ziemlich einzigartig auf dem Planeten, endet die Schau mit der bitteren Erkenntnis, dass Covid-19 noch nicht einmal das größte Problem unserer Spezies zu sein scheint: Eine Installation aus Plastikmüll im Meer lässt ebenso schaudern wie der Müllcontainer voller Lebensmittel. Selbst komplexe ethische Fragen reißen die Ausstellungsmacher mutig an, mit Exponaten zu künstlicher Befruchtung und den Möglichkeiten, Kinder bis aufs Haar unseren Wünsche anzupassen, oder mit der Debatte ums Klonen: Da sitzt ein Neanderthal-Mädchen auf einer Picknickdecke, Handy-Stöpsel im Ohr – das wäre möglich, informiert die Schau, wenn nur ihre DNA in die korrekte Reihenfolge gebracht werden könnte.

Auch auf dem Mars dürften die alten Probleme schnell wieder aktuell werden

Also ab auf den Mars? Per Virtual-Reality-Brillen können Besucher (auch in Coronazeiten!) eine Marskolonie entdecken. Doch wer die Schau, die aufs große Ganze geht, die die Menschheitsge­schichte im Schnelldurchlauf präsentiert, genau studiert hat, dürfte sicher sein: Auch auf dem Mars dürften die alten Probleme schnell wieder aktuell werden -- Mensch bleibt Mensch.

„Überlebenskünstler Mensch“: LWL-Museum für Naturkunde, Sentruper Str. 285, 48161 Münster. Tel. 02051/5 91 05. Im Internet: ueberlebenskuenstler-mensch.lwl.org.

Bis 26.9. 2021. Di-So 9-18 Uhr, Eintritt: 7,50 €, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre frei.