Sally Rooneys Roman „Normale Menschen“ ist zeitgleich als Serie zu sehen: Es geht ums ganz alltägliche Erwachsenwerden, traumschön unspektakulär.

Selten sind Romantitel so schnörkellos wahr wie jene der irischen Autorin Sally Rooney: Das Debüt „Gespräche mit Freunden“ und ihr aktuelles Werk „Normale Menschen“ (jeweils wörtliche Übersetzungen aus dem Englischen) schreiben ein literarisches Programm fest, in dem Kritiker europaweit die Stimme einer Generation erkennen. Beide Romane begleiten am Schauplatz Dublin junge Menschen auf dem Weg ins Leben – ganz alltägliche, sich beständig um Kopf und Kragen redende Frauen und Männer, die jedes Gefühl lieber noch einmal debattierend herumdrehen, bevor sie in die Verlegenheit kommen, es fühlen zu müssen.

Marianne und Connell gehen in der Kleinstadt Sligo in eine Klasse, aber reden nie miteinander – vielmehr: Marianne redet nie mit jemandem, sie ist die reiche, unfassbar intelligente Außenseiterin in seltsamen flachen Schuhen. Connell hingegen ist der Star der Fußballmannschaft und jeder Party. Da seine Mutter als Putzfrau bei Mariannes Mutter angestellt ist, treffen die beiden außerhalb jedes sozialen Rahmens aufeinander. Sie reden über nichts besonderes, ihre Noten, ihr Leben, aber es entsteht ein Band. Später studieren beide am Trinity College, nur haben sich jetzt die Vorzeichen vertauscht: Marianne ist beliebt, angesehen, hat einen coolen Freund; Connell ist der Fußballtyp mit der komischen, billigen Kleidung.

Sally Rooney ist erst 29 Jahre alt und bereits ein Literaturstar

Es ist eine absolut klassische Geschichte, die Sally Rooney da erzählt; die starren Sozialnormen der Schulzeit, die Befreiung danach, das Erstaunen darüber, wie sehr die Umwelt unser Selbstbild prägte und prägt. Rooney versteht es, das alles so unspektakulär und mitten aus dem Leben zu schildern, dass ihre Dialoge buchstäblich drehbuchreif sind: Der zweite Roman der erst 29-Jährigen, 2018 auf Englisch erschienen, wurde vom US-Streamingdienst Hulu gemeinsam mit der BBC in eine zwölfteilige Serie gegossen, und wer den Roman gelesen hat, wird viele Wortwechsel wiedererkennen.

Daisy Edgar-Jones und Paul Mes­cal spielen das ungleiche Paar, das sich immer wieder über den Weg läuft, in Deutschland läuft die Serie seit kurzem beim Streamingdienst Starzplay (über Amazon Prime verfügbar). Die ruhige, oft sehr nah heranzoomende Kamera spiegelt Rooneys Erzählstil: Sie dringt so sehr ins Alltägliche vor, dass diese Vergrößerung des Banalen schon wieder eine ganz eigene Kunst wird.

Auch die langsame, geradezu behäbige Erzählweise scheint der oberflächlich dahinzappenden Gegenwart etwas entgegensetzen zu wollen. Vielleicht kommt die Autorin gerade in ihrer eigenen Generation so gut an, weil sie hinter die flimmernden Kulissen schaut.

Am Ende ihres Romans werden sich Marianne und Connell verändert haben, werden am eigenen Leib erfahren haben, wie Liebe aufs Leben wirken kann. Sally Rooney scheut sich nicht, ihrer Leserschaft diese Prozesse ganz genau darzulegen, bis in die letzte Herzenswindung ausformuliert; allein für diesen Mut hat sie all die Preise verdient, die sie bislang bekommen hat.

Sally Rooney: Normale Menschen. Luchterhand, 320 S., 20 €