Verstörend: In Savas Ceviz Spielfilmdebüt „Kopfplatzen“ spielt Max Riemelt einen Pädophilen, der gegen seine Neigung kämpft.

Allein im Dunkeln, Selbstbefriedigung vor dem Laptop. Markus ist Mitte 30, Single, hat ein gutes Auskommen und ein angenehmes Äußeres, und er ist Getriebener einer abnormen Neigung. Markus mag kleine Jungs. Er stellt ihnen nach, beobachtet sie, schießt heimlich Fotos, später dann legt er wieder an sich selber Hand an.

„Das, was Sie haben, ist keine Krankheit, die heilbar wäre“, sagt der Arzt

Markus ist pädophil und gesteht das dem Psychiater auch mit aller moralischen Selbstverurteilung ein: „Ich möchte das weg haben. Ich will nicht mehr auf kleine Jungs stehen, von Sex mit ihnen träumen. Aber ich tu’s, jeden Tag. Andauernd.“ Die Antwort des Arztes ist ernüchternd: „Das, was Sie haben, ist keine Krankheit, die heilbar wäre. Pädophilie ist eine Neigung; eine sexuelle Orientierung, die sich meistens in der Pubertät manifestiert und nach bisherigem Wissensstand ein Leben lang bestehen bleibt. Es muss Ihnen absolut klar sein, dass Sie für Ihre Neigungen nichts können, sehr wohl aber für Ihre Handlungen.“

Diese ohnehin schon prekäre Lage spitzt sich zu, als Markus auf Arthur trifft, der eben erst mit seiner Mutter Jessica (Isabell Gerschke) in die Wohnung gegenüber eingezogen ist. Markus kumpelhafter Charme verfängt auf Anhieb bei beiden. Arthur freut sich über einen väterlichen Freund und Vertrauten, die alleinerziehende Jessica glaubt, einen Partner mit Perspektive gefunden zu haben. Markus steckt damit zwischen zwei Stühlen fest und ringt verzweifelt mit der Gewissheit, dass Sex mit der Person, die er liebt, keine Option sein darf.

Eine peinigende Aktualität steckt in diesem Film, dem eine Kinokarriere wegen seines ursprünglichen Starts am 12. März bislang verwehrt blieb. Dass nach erster Auswertung als Digital Download nun doch noch ein Kinoeinsatz gewährt wurde, ist ein Glücksfall, weil das Spieldebüt des bislang mit Dokumentarfilmen in Erscheinung getretenen Savas Ceviz („Der mit den Fingern sieht“) über eine ausgezeichnete Breitbildfotografie verfügt

Regisseur Savas Ceviz überzeugt mit einem präzise komponierten Rahmen

Die kühl ausgeleuchteten Cinemascope-Bilder schaffen einen präzise komponierten Rahmen, innerhalb dessen sich die Tragödie eines Dilemmas von einem entfaltet, der immer härter darum kämpfen muss, dass er nicht seine moralische Selbstachtung über Bord wirft.

Max Riemelt, der lange Zeit der einzige legitime Nachfolger von Hardy Krüger schien, wagt sich mit Mitte 30 auch mangels interessanten kommerziellen Angeboten an Rollen, für die das Prädikat Herausforderung fast schon Untertreibung ist. Sein Markus ist als Getriebener und zugleich Geächteter (der Hausarzt verweist ihn beim ersten Hilferuf der Praxis) so verletzlich wie einst Peter Lorre in „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ und später in „Der Verlorene“, aber immerhin frei von der Schuld, das innere Scheusal von der Leine gelassen zu haben. Es geht um die Neigung und wie man damit umgeht. Der Schritt ins Abseits ist ja so klein.