Gelsenkirchen. Brigitte Werner schreibt Kinder- und Jugendbücher. Die Corona-Stille brachte ihr keine Ruhe zum Schreiben. Sie leidet unter den Unsicherheiten.
Als der Lockdown wegen Corona kam und alle Lesungen abgesagt wurden, fehlten Brigitte Werner (72) von einem Tag auf den anderen fast 3000 Euro, die fest eingeplant waren. Autorinnen wie sie leben, in der Kinder- und Jugendliteratur zumal, weit mehr von Lesungen als vom Verkauf ihrer Bücher; was für Popstars, die mit Alben kaum noch Geld verdienen und auf Tournee gehen müssen, eine Erfahrung der letzten Jahre ist, gilt in der Schriftstellerei seit Jahrzehnten. Veranstaltungen wie die Lit.Ruhr oder die Lit.Cologne sind nicht nur Marketing-Partys, sondern auch Lebensunterhaltssicherung.
Die Vorstellung, Schriftstellerinnen und Schriftsteller würden durch die Corona-Krise doppelt profitieren, weil sie mehr Ruhe zum Schreiben hatten und der erhöhte Lesebedarf den Absatz ihrer Bücher ankurbelte, umfasst mindestens anderthalb Irrtümer. Den Verkauf von Büchern rechnen Verlage einmal im Jahr ab; das Geld, das seit dem Lockdown verdient wurde, kommt erst in Monaten – wenn es überhaupt mehr ist als sonst. Die Buchhandlungen waren ja auch geschlossen. Die Gelsenkirchener Autorin Brigitte Werner hat einen lang laufenden Bestseller, der in der 13. Auflage ist und 70.000 Exemplare verkauft hat, „Kotzmotz der Zauberer“ für Kinder ab acht: „Aber was da reinkommt, ist auch nicht gerade fünfstellig...“
Keine Hilfe vom Land bekommen
Und: Brigitte Werner, die für Menschen jeden Alters schreibt, auch Kolumnen, hat wie so viele andere Schreibende den Lockdown und die Wochen danach in einer Art Schockstarre erlebt: „Die vielen Unsicherheiten, auch was den eigenen Lebensunterhalt angeht, haben die Phantasie blockiert.“
Brigitte Werner gehört zu den vielen, die bei der Soforthilfe der NRW-Landesregierung durch den Rost fielen: „Ich hab nicht einmal die 2000 Euro bekommen“, seufzt sie, „es ist unglaublich, was wir Künstler alles ausfüllen mussten. Und ich musste erst einmal die Veranstalter meiner Lesungen dazu bewegen, mir zu bescheinigen, dass sie ausgefallen sind. Ganz am Anfang ist in den Schulen noch jemand ans Telefon gegangen – aber dann gab es eine Phase, da habe ich nie wieder jemanden an den Hörer bekommen. Bevor ich die Sachen zusammen hatte, kam vom Land schon die Nachricht, dass das Geld schon weg war.“ Von manchen Veranstaltern hat sie erst gerade die Bestätigung bekommen, die sie vor Monaten gebraucht hätte.
Aktuellen Lockerungen beleben nicht automatisch das Geschäft
Aber: Die Ausfälle, für die Corona gesorgt hat, sind mit den aktuellen Lockerungen noch längst nicht vorbei. „Die Schulen wollen in nächster Zeit erst einmal keine Lesungen mehr“, hat die Autorin erfahren, „die haben so viel Stoff nachzuholen, dass auch für Schreibprojekte oder anderes keine Zeit mehr ist.“ Immerhin wurde zwei Wochen vor dem Lockdown eines ihrer Bücher mit Musik aufgeführt, das war ihre vorläufig letzte Einnahme.
Sie hat eine kleine Rente, weil sie zehn Jahre lang an Schulen unterrichtete, bevor sie sich 1992 mit ihrem zehn Jahre zuvor gegründeten Kindertheater selbstständig machte. Dass sie, so nicht eine neue Corona-Welle alle Pläne hinwegfegt, Mitte September wieder ihr erstes Schreibseminar an der Volkshochschule in Herne geben kann, hat vielleicht auch positive Auswirkungen auf Brigitte Werners eigene Kreativität gehabt: Seit ein paar Wochen schreibt sie wieder, ein neues Kinderbuch ist in Arbeit.
Corona dämpft den Optimismus
Sie hat auch Altenheimen angeboten, dort zu lesen, „aber die tun sich doch noch sehr schwer mit solchen Dingen“. Und sie selbst ist auch viel vorsichtiger geworden: „Ende September soll ich in Bonn ein großes Lese-Festival eröffnen, Käpt’n Book. Das soll eine Uraufführung mit dem Beethoven-Orchester werden. Aber im Moment glaube ich da noch nicht so richtig dran.“ Corona macht nicht nur das Schreiben schwerer, es dämpft auch so manchen Optimismus.