Herne. Künstler in der Corona-Krise: Der Herner Comedian Martin Fromme hat seit März so gut wie keine Einnahmen mehr – und fürchtet um seine Existenz.
Den 10. März 2020 wird der Herner Comedian Martin Fromme (58, „Besser Arm ab als arm dran“) sicher nie vergessen. Acht Mal klingelte an diesem Dienstag sein Telefon, und immer liefen die Gespräche ähnlich ab: „Martin, tut uns leid. Du kannst nicht bei uns auftreten, Corona, Du weißt schon.“ Am Ende der Woche Deutschlands einziger einarmiger Entertainer, 24 Absagen kassiert, nur für die Monate März bis Mai. „Ich war mit den Nerven am Ende. Irgendwann hab ich nur noch hysterisch gelacht, wenn das Telefon klingelte.“
Eigentlich wollte Martin Fromme in diesem Jahr so richtig durchstarten. Im September 2019 hatte sein neues Programm „Glückliches Händchen“ Premiere. Fromme ist mit einem verkürzten Arm geboren und hat diesen Umstand für seine Programme offensiv eingesetzt und in einem Buch verarbeitet.
In Frommes Kalender standen jede Menge Auftritte, darunter viele Inklusionsveranstaltungen – doch gerade dort sitzen Menschen im Publikum, die im Zuge der Pandemie als „Risikogruppe“ gelten. „Anfang des Jahres hatte ich noch ein gut laufendes kleines Geschäft“, sagt Martin Fromme, „ich dachte 2020 würde für mich ein Super-Jahr. Stattdessen ist es das schlechteste geworden, das ich je als Künstler erlebt habe.“
„Für mich ist das eine Katastrophe. Die Shows sind meine Haupteinnahmequelle.“
Fromme blickt auf 15 Bühnen-Programme 1800 Auftritte zurück. Aktuell kommen überhaupt keine Anfragen mehr. Auch den Veranstaltern fehlt die Planungssicherheit. „Für mich ist das eine Katastrophe. Die Shows sind meine Haupteinnahmequelle. Dieser Bereich ist komplett zusammengebrochen. Seit März stehe ich praktisch ohne Einnahmen da.“
Lediglich ein Auftritt im Herner Autokino am Gysenberg und eine Show in den Flottmann-Hallen ließen sich seit dem 10. März realisieren. Zu seinem Glück kommt regelmäßig eine Gage vom MDR, für den Fromme einmal im Monat das Magazin „selbstbestimmt“ moderiert. „Das reicht natürlich nicht, um über die Runde zu kommen“, sagt der Künstler. „Seit März hatte ich Einnahmeausfälle in Höhe von mehreren Zehntausend Euro. Momentan lebe ich von dem Geld, das ich fürs Alter zur Seite gelegt habe.“
„Selbst wenn 2021 wieder mehr stattfindet, wird es ein Überangebot geben.“
Martin Fromme erwartet eine lange Durststrecke. Manche Veranstaltungen, für die er gebucht war, sind erstmal auf 2021 verschoben, andere ersatzlos gestrichen. „Mein Geschäft wird sich nicht vor dem ersten Halbjahr 2022 erholen“, mutmaßt er. „Selbst wenn 2021 wieder mehr stattfindet, wird es ein Überangebot geben, weil alle auf die Bühne wollen. Das wird dann ein Gagen-Dumping zur Folge haben.“
Martin Fromme fühlt sich in der Krise von der Politik im Stich gelassen. Vom Land NRW hat er als freier Künstler eine 2000-Euro-Einmalzahlung bekommen; aus dem Soforthilfe-Programm des Landes erhielt er weitere 9000 Euro. Diese ist an Betriebskosten gekoppelt. Die haben Künstler wie Fromme aber nicht. Klassische Darlehen, auch wenn die Konditionen noch so günstig sein mögen, sind für Fromme keine Option: „Wie soll ich denn einen Kredit zurückzahlen? Ich kann ja in Zukunft nicht einfach doppelt so oft auftreten, um meine Ausfälle wieder reinzuholen.“
Angesichts einer Krise, von der niemand weiß, wie lange sie dauern wird, seien die Corona-Hilfen zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig – und die 9000 Euro Soforthilfe muss er wohl komplett zurückzahlen. „Weil die Rahmenbedingungen von der Politik geändert wurden“, kritisiert Fromme. „Erst hieß es, man darf die Soforthilfe für Lebenshaltungskosten nutzen, dann wurde das gestrichen. Jetzt werden sogar die Einnahmen angerechnet. Da war nie die Rede von.“ Er nennt es eine „mürbe machenden Farce“.
„Wir werden ein unvorstellbares Siechtum erleben, weil den Künstlern das Geld ausgeht.“
Martin Fromme zeichnet ein düsteres Bild der künftigen Kulturlandschaft: „Sie wird sterben, ganz langsam, aber unaufhaltsam. Wir werden ein unvorstellbares Siechtum erleben, weil den Künstlern nach und nach das Geld ausgeht.“ In der Diskussion um Corona-Hilfen für Künstler fühlt sich Fromme als Bittstellers. Er vermisst Respekt und Wertschätzung für seine Arbeit. „Ich weiß nicht, wie viele Hunderttausend Euro ich in meinem Leben schon an Steuern bezahlt habe“, sagt er. „Jetzt wäre es an der Zeit, etwas davon zurückzubekommen.“
Martin Fromme verweist auf die Schweiz, wo Künstlern ohne große bürokratische Hürden bis zu 80 Prozent ihrer Einnahmeausfälle erstattet würden: „So etwas brauchen wir hier auch“. Auch ein „Grundeinkommen“, das unverschuldet in Not geratenen Künstlern in der Corona-Krise gezahlt würde, sieht er als Möglichkeit, den Untergang der Kulturszene zu verhindern. „Bisher wird ja eher nur so getan, als würde den Künstlern geholfen – aber im Grunde gleichen die bisherigen Maßnahmen eher einem Arschtritt.“