Essen. Ian Gillan, Sänger der legendären Rockband Deep Purple, spricht im Interview über das neue Album, Hippies, Donald Trump und das Schachspielen.
Die britische Rockband Deep Purple, weltberühmt durch Songs wie „Smoke On The Water“, ruht sich auf ihrem neuen Studioalbum „Whoosh!“ nicht auf den Lorbeeren aus. Sie brilliert mit waschechter Purple-Power und kraftvollen Songs, räudigem Soul und knackigem Bluesrock. Steffen Rüth sprach mit Sänger Ian Gillan (75), den er telefonisch in seinem Haus an Englands Südküste erreichte.
Mr. Gillan, wie schlagen Sie sich aktuell so?
Ian Gillan: Ich kann mich nicht beklagen. Ich habe einen Garten, in dem ich mich ein wenig beschäftige, ich bin gesund und am Leben. Das reicht mir für den Moment.
Sie sind 75, Deep Purple gibt’s seit 1968. Es gab Spekulationen, es würde kein weiteres Album mehr folgen. Was hat dazu geführt, dass es nun doch nicht so kam?
Wenn du jung bist, gehst du nicht davon aus, dass deine Gesundheit ernsthafte Probleme machen könnte. Wenn du älter wirst, ändert sich das. Bei uns liefen die Dinge vor etwa drei Jahren nicht besonders gut, Alterskrankheiten. Inzwischen ist die Energie zurück. An manchen Tagen spielen wir sechs Stunden am Stück und geraten in einen richtigen Rock’n’Roll-Rausch.
So wie in „Man Alive“, das mit einem minutenlangen Intro beginnt?
Genau. Da hört man die Spielfreude der späten 1960er, als wir einfach nur zusammen Musik machten. Wir rebellierten gegen die Erwartungen der Musikindustrie, die uns in Schubladen stecken wollte. Aber Definitionen wie „Hard Rock“, „Classic Rock“ oder „Rock’n’Roll“ repräsentierten uns nie. Wir waren Rebellen, die Funk, Rock, Soul, Country und Klassik auf ganz eigene Weise interpretiert haben. Und heute gibt es erst recht keine Regeln mehr für uns. Wir machen Musik, weil wir es lieben. Es passieren spontane kraftvolle Ausbrüche, in diesen Momenten sind wir eine Atommacht (lacht).
Apropos: „Drop The Weapon“ scheint ein Anti-Waffen-Song zu sein, Sie schimpfen aber auch über die Hippies mit ihrem „Love & Peace“-Ansatz.
Flower Power war eine fantastische Idee, aber leider nur in der Theorie. In einer Gesellschaft, in der jeder Liebe und Frieden im Herzen trägt, bräuchte man tatsächlich keine Waffen. Ich höre aber mit Schrecken von all diesen jungen Menschen, die durch Gewalt sterben. Da geht es um Bandenkriminalität, um Drogen. Jemand sollte den Kids sagen „Nimm die Waffe erst gar nicht in die Hand.“
Was könnten diese jungen Leute stattdessen tun?
Schach spielen, zum Beispiel. Das ist so wertvoll, fürs ganze Leben. Du lernst, ein, zwei Schritte vorauszudenken, wirst rationaler und abgeklärter. Das ist in jeder Auseinandersetzung ein riesiger Nutzen.
Sind Sie ein guter Schachspieler?
Ich bin nur durchschnittlich begabt. Ich liebe das Spiel, und ich finde, niemand sollte für ein politisches Amt kandidieren, bevor er nicht die Mitgliedschaft in einem Schachverein nachgewiesen hat.
Sollte Donald Trump Schach lernen?
Bei dem ist es zu spät. Ich denke, er sollte eine Bombe in die Hand nehmen und warten, bis sie explodiert. Ich empfinde es als tragisch, dass ein Land wie die Vereinigten Staaten so einen grausamen und ungebildeten Präsidenten hat. Was für ein Versager. Man mag ihn schon gar nicht mehr attackieren, weil er sich ständig selbst zerlegt.
Im Text zu „No Need To Shout“ greifen Sie den Typus des klassischen Machtpolitikers an.
Es ist eine ironische Attacke auf so gut wie alle Menschen mit politischer Macht, insbesondere hier in Großbritannien. Früher waren „links“ und „rechts“ Standpunkte, aus denen sich oft spannende Diskussionen entwickelten. Heute ist Politik vollkommen ideologisch geworden. So kommt es nicht zu Kompromissen, sondern immer wieder zu unüberbrückbaren Differenzen.
Sie sind seit mehr als fünfzig Jahren Sänger von Deep Purple. Wie schauen Sie auf Ihre Karriere?
Mit Demut. Ich habe einen ziemlich netten Job, oder? Vielleicht ist es sogar der beste Job der Welt. Ich bin ein glücklicher Mann. Aber ich habe mich auch nie gescheut, hart zu arbeiten.
Wie sah das aus?
Als Kind verbrachte ich endlose Stunden und Tage damit, das Handwerk zu lernen, die Kunst des Songschreibens, Spielens und Textens. Wenn du Maler werden willst, musst du ja auch wissen, wie man den Pinsel auswäscht.
Wer ist damals auf Ihre Stimme aufmerksam geworden?
Ich habe immer gern gesungen, und als Junge ging ich in den Kirchenchor. Wenig später hörte ich zum ersten Mal „Heartbreak Hotel“ von Elvis Presley, und daraufhin änderte sich mein Leben. Ich bekomme aber immer noch feuchte Augen, wenn ich Chorgesang höre.