Essen. Levan Akin erzählt in seinem Kino-Drama „Als wir tanzten“ mit einer Männer-Liebe von Lebenswelten, die im Georgien von heute aufeinanderprallen.

Die georgischen Nationaltänze sind in Klänge und Bewegung gegossene Tradition. Seit den Zeiten des Kalten Krieges tourt das Nationalballett durch die Welt – an der Met und der Scala, in London und Paris aufgetreten, sind sie, Botschafter der georgischen Kultur. All das ist Merab, der in Tiflis als Student an der Akademie des Georgischen Nationalballetts studiert und hofft, den Sprung ins erste Ensemble zu schaffen, seit frühester Kindheit bewusst.

Dieses Erbe ist ihm Ansporn und Last zugleich. Denn Merab passt nicht in das Bild, das seine Lehrer von Tänzern und Tänzerinnen des Nationalballetts haben. Der aus Georgien stammende Filmemacher Levan Akin wirft in „Als wir tanzten“ einen differenzierten Blick auf das Leben in der ehemaligen Sowjetrepublik.

Zwischen orthodoxer Kirche und Popkultur

Auf den ersten Blick wird es ganz von der konservativen orthodoxen Kirche, rechtsnationalistischen Strömungen und von einem Festhalten an uralten Traditionen geprägt, das Georgien vor den Einflüssen der Globalisierung schützen soll. Auf den zweiten Blick offenbaren sich Risse in dieser nach außen hin so geschlossen auftretenden Gesellschaft. Die junge Generation, der Merab (Levan Gelbakhiani) und Mitstudierenden angehören, wird zwar im Sinne der starren Traditionen erzogen. Aber ihr eigenes Weltbild ist von der aktuellen Popkultur und all dem beeinflusst, was die orthodoxe Kirche verteufelt.

Klassisches Melodram ums Nationalballett

Von dieser Zerrissenheit eines ganzen Landes erzählt Levan Akin mit den Mitteln des klassischen Melodramas. Merab hat sowieso schon mit seinen Lehrern zu kämpfen. Sie halten ihn für zu weich. Er passt mit seinen fließenden Handbewegungen und seinen federnden Schritten nicht zu ihrer Vorstellung von strotzender Männlichkeit. Als er sich dann auch noch in Irakli (Bachi Valishvili) verliebt, einen Kommilitonen und Konkurrenten um einen Platz im Nationalballett, werden die Konflikte zwischen ihm und seiner Umwelt immer sichtbarer.

Die dramatische Liebesgeschichte gibt Akins Films aber nicht nur ein emotionales Zentrum. Sie rückt zugleich den Fokus auf die innergesellschaftlichen Kämpfe zwischen den homophoben Kräften der Kirche und der extremen Rechten auf der einen Seite und liberalen Strömungen auf der anderen. Für diese Konflikte findet Akin einige grandiose Filmbilder. Immer wieder spielt der schwedische Filmemacher mit Spiegelungen und mit Blicken durch Türrahmen oder Fenster, um die engen, uneindeutigen Verhältnisse zu illustrieren.

Stil und Musik nehmen Stellung

Akin bezieht im Stil Stellung und kann auf didaktische Dialoge verzichten. Außerdem spielt die Musik eine entscheidende Rolle: Die von harten Trommelschlägen und melodischen Akkordeonklängen begleiteten Szenen in der Akademie fangen nicht nur die ritualisierte Strenge der Nationaltänze ein. Gerade in den Akkordeonmelodien klingt noch eine zweite, seit Jahrzehnten verdrängte Traditionslinie an

Der georgische Tanz ist längst nicht so rigide, wie er sich in den vergangenen Zeiten gezeigt hat. Er lässt Raum für Entwicklungen. Und genau in diesen Raum stoßen Levan Akin und sein Hauptdarsteller Levan Gelbakhiani. Beide stellen sich gegen den Strom – und eröffnen so neue Perspektiven für den georgischen Nationaltanz wie für die georgische Gesellschaft.