Düsseldorf. „Subjekt und Objekt“ in Düsseldorfs Kunsthalle mit 600 Werken zeigt, warum das Foto-Zentrum des Bundes zu Recht nach Essen oder Düsseldorf kommt.
Essen oder Düsseldorf? Beide Städte ringen seit Monaten und derzeit immer noch um den Sitz des künftigen Foto-Instituts, das der Bund einrichten will. Da ist es sicher als Geste gedacht, wenn die Düsseldorfer Kunsthalle als städtisches Institut eine großangelegte Foto-Ausstellung mit rund 640 Werken auf zwei Etagen inszeniert. Unter dem extrem unverbindlichen Titel „Subjekt und Objekt“ ist hier „eine der aufregendsten Fotoszenen der Welt“ zu einer „Neusichtung“ versammelt: Das sind 107 Fotografinnen und Fotografen, die in der Region zwischen Köln und Dortmund gelernt, gelehrt und gearbeitet haben, mit Schwerpunkten in – Essen und Düsseldorf, versteht sich.
Dass sich ausgerechnet hier eine Fotoszene von Weltrang etablieren konnte, geht wesentlich auf Persönlichkeiten zurück. Und vielleicht ist es gar kein Zufall, dass der Fotograf, dessen Bilder heutzutage bei Auktionen weltweit Höchstpreise erzielen, eine Art Bindeglied zwischen den beiden Gravitationszentren im Foto-Kosmos Rhein Ruhr darstellt: Zu Beginn seines Studiums hörte Andreas Gursky noch ein paar Vorlesungen von Otto Steinert, den Essen 1959 als Foto-Guru an seine Folkwang-Schule gelockt hatte; dann aber schloss Gursky sein Studium bei Bernd und Hilla Becher ab, die seit 1976 die erste Foto-Professur an der Düsseldorfer Kunstakademie übernommen hatten.
Steinerts Assistentin Ute Eskildsen baute die Folkwang-Fotosammlung auf
Steinert bildete in Essen Dutzende von Foto-Fachleuten aus, die später nicht nur die immer häufiger eingerichteten Professuren für Fotografie in ganz Deutschland bekleideten, sondern auch ihre Etablierung als Kunst in Museen betrieben, allen voran Steinerts ehemalige Assistentin Ute Eskildsen, die am Essener Folkwang Museum auf der Grundlage von dessen Lehrmaterialien eine Fotosammlung von Weltrang aufbaute.
Bernd und Hilla Becher wiederum, die mit ihren sachlich-neutralen, typologischen Dokumentationen von Industrie-Architektur eine Extremposition einnahmen, ließen in ihrer „Düsseldorfer Schule“ ausgemachte Fotografie-Persönlichkeiten heranwachsen, die aus dem Begriff „Becher-Klasse“ ein Wort für Qualität werden ließen, die alles Schülerhafte weit hinter sich ließ. Auf die Frage nach ihrem Stil, ihren Auswahlkriterien antworteten die Bechers: „Komposition zugunsten des Objekts, Licht zugunsten des Objekts. Subjektiv ist die Auswahl, das Objekt muss sich zu erkennen geben.“
Candida Höfer mit einer frühen Reportage
Das gilt auch für die Kunsthallen-Ausstellung Kunsthalle. Heute international gefragte Lichtbildner wie Gursky, Hütte, Ruff oder Struth zeigt sie mit frühen Arbeiten aus den 80ern wie Porträt-Serien ihrer Mitstudierenden oder asiatischen Stadt-Ansichten. Candida Höfer, die mit menschenleeren Kulturtempel-
Bildern berühmt werden sollte, ist hier mit einer reportagehaften, ungemein genauen Liverpool-Serie von 1968 vertreten; von Tata Ronkholz wiederum sind Einzelstücke ihrer schwarz-weißen Schaufenster- und Kiosk-Serien zu sehen. Mit dem extraschrägen Hans-Peter Feldmann und seinen Brotscheiben, Lothar Baumgarten oder dem anarchisch-dadaistischen Experimentator Jürgen Klauke umarmt die Ausstellung auch bildende Künstler, für die Fotografie ein Genre von vielen ist, oft mit anderen gemischt.
Es gibt in der mehr assoziativ gehängten als einem stringenten Parcours folgenden Ausstellung grandiose Schwarz-Weiß-Bilder zu sehen wie Andre Gelpkes St.-Pauli-Porträts oder als ältestes Bild ein „Fahles Porträt“ von Otto Steinert aus dem Jahr 1949 (neben der fast ikonografischen Gesichtslandschaft des Zoologen Karl von Frisch); aber auch Peter Thomanns Folkwang-Examensarbeit „Die Ruhr von Quelle bis Mündung“, Polit-Reportagen der Folkwang-Professorin Angela Neuke, umwerfende Stillleben von Arno Jansen und intensivste Porträts des unter Insidern hoch geschätzten Krefelder Professors Detlef Orlopp.
Bröselndes Bauhaus von Joachim Brohm, leere Kasernen von Laurenz Berges
In Farbe sehen wir neben vielem anderen Timm Rauterts 1974er-Porträtserie „Deutsche in Uniform“ mit Lufthansa-Hostessen, Karnevalsprinzen, Schützen, Diakoniekrankenschwestern, Feuerwehrleuten und Pfarrern, einen imposanten Latexdruck von Katharina Sieverding, Joachim Brohms bröselhaltige Bilder von Bauhaus-Bauten der gerade implodierten DDR oder deren leere Kasernen von Laurenz Berges, technisch perfekte Heu- und Waldbilder von Bernhard Fuchs, eine Langzeitstudie zu einem wild gewachsenen Apfelbaum und seinen Nachfahren in ganz Deutschland undundund. Planen Sie zwei Stunden mindestens ein, man sieht sich so schnell nicht satt an dieser staunenswerten Wundertüte.
Bliebe die Frage: Düsseldorf oder Essen? Na, Hauptsache Rheinruhr.
„Subjekt und Objekt. Foto Rhein Ruhr“. Kuratoren: Dana Bergmann, Ralph Goertz, Gregor Jansen. Kunsthalle Düsseldorf, Grabbeplatz 4. Bis 16. August. Geöffnet: Di-So 11-18 Uhr, Eintritt: 6 Euro, erm. 3 Euro, bis 18 Jahre kostenlos. Katalog: 356 Seiten, zahlr. Abb. (s/w u. Farbe), 30 Euro.