Essen. Ellie Goulding ist zurück nach Burnout und Hochzeit. Auf ihrem neuen Album „Brightest Blue“ präsentiert sie einen reifen, erwachsenen Sound.
Fünf Jahre sind seit „Delirium“, dem letzten Album von Ellie Goulding, vergangen. Eine Zeit, in der die kleine Waliserin in New York gelebt hat, eine Traumhochzeit feierte und zur Umweltaktivistin und UN-Botschafterin geworden ist. Jetzt präsentiert sie ihr musikalisches Comeback „Brightest Blue“, das sich deutlich vom Charts-Pop ihrer bisherigen drei Werke absetzt. „Ich wollte einen wärmeren Sound“, sagt die 1,65 Meter-Blondine im Zoom-Interview aus ihrem Haus in Oxfordshire.
Schnellere Songs sind angesichts von epischen 18 Stücken in der klaren Minderheit: „Brightest Blue“ setzt vor allem auf Ruhiges, Getragenes mit Klavier, Streichern und Gitarren, „damit meine Stimme und Texte mehr im Mittelpunkt stehen“. Hier und da ein paar Beats und Vocoder-Spielereien, ansonsten orientiert sich Ellie Goulding an klassischem R&B, Soul und 70s-Pop. Ein reifer, erwachsener Sound, der der 33-Jährigen gut zu Gesicht steht. Und zu dem sie – trotz Hochzeit – weiter Texte über Exfreunde und flüchtige Affären serviert. „Ich muss zugeben: Davon hatte ich einige“, kichert sie. „Ich bin fasziniert von der Art, wie sich Menschen in Beziehungen verhalten – wie sie sich binnen kürzester Zeit verändern, was für Lügen sie auftischen und wie selbstsüchtig sie sind. Das ist oft filmreif und deshalb schreibe ich weiter darüber, zumal ich mit zunehmendem Alter auch immer bessere Worte finde.“ Und was sagt ihr Mann dazu, der Kunsthändler Caspar Jopling? „Bislang harmonieren wir so perfekt, dass er keine Angriffsfläche bietet – also, dass ich keinen Grund habe, ihm einen Song zu widmen.“
Aufbruch und Kontinuität
Ein Album zwischen Aufbruch und Kontinuität. Mit dem Willen zur Erneuerung, aber auch mit bewusstem Festhalten an erklärten Vorlieben. Radikaler präsentiert sich Ellie Goulding dagegen als Aktivistin, die Fridays For Future und Black Lives Matter unterstützt – und auf tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen hofft: „Da sind in den letzten Wochen schon viele positive Sachen passiert“, setzt sie an. „Die Konföderierten-Fahnen sind nahezu verschwunden, die Statuen von Sklavenhaltern wurden entfernt. Und ich denke, da kommt noch mehr. Nur: Es muss von oben ausgehen. Es muss einen Politikwandel geben und alte Strukturen müssen aufgebrochen und entfernt werden. Sobald Trump weg ist, können wir loslegen.“
Klare Worte von einer Künstlerin, die in ihrer Musik kaum politisch ist und die lange als Popsternchen belächelt wurde. Jetzt zeigt Ellie Goulding Krallen. Als eine der wenigen ihrer Zunft: Madonna, Alicia Keys oder Lady Gaga verschanzen sich in ihren Villen – Ellie geht auf die Barrikaden. Eine, lacht sie, müsse schließlich mit gutem Beispiel voran gehen. Und vielleicht sei das als Europäerin aktuell etwas leichter denn als US-Amerikanerin: „Es stimmt, dass einige Leute nicht so präsent sind, wie sie sein könnten. Das liegt daran, dass sie Angst um ihre Karriere haben – was ich verstehe. Nur: Als Musiker hat man Vorbildfunktion. Die Leute schauen zu einem auf, und deshalb sollte man diese Plattform nutzen. Das kann ich nur empfehlen.“