Essen. „Waves“: US-Regisseur Trey Edward Shults zeigt im Kino eine Familie, die nach einem schrecklichen Ereignis wieder zu sich selbst finden muss.
Der afro-amerikanische Teenager Tyler (Kelvin Harrison Jr.) könnte ein glücklicher Mensch sein. Aufgewachsen in einem wohlhabenden Vorort im Süden Floridas, ist er das wichtigste Mitglied des Ringer-Teams seiner High-Schools. Er ist beliebt, bekommt haufenweise gute Noten und ist glücklich mit seiner Freundin Alexis (Alexa Demie). Alles könnte perfekt sein, viel zu perfekt eigentlich, aber da ist noch der strenge Vater (Sterling K. Brown). Der pusht seinen Sohn so hart es eben geht und lässt Tyler keine Schwäche durchgehen. Aber dann verletzt sich dieser Champion an der Schulter und erhält von den Ärzten eine niederschmetternde Diagnose.
Was in dem Film „Waves“ anfangs so klingt wie ein dramatisches Einzelschicksal, das lässt der texanische Regisseur Trey Edward Shults (31, „It Comes At Night“) irgendwann in zwei Hälften zerfallen. Tyler hat an dieser Stelle bereits den Weg ins Dunkel angetreten. Immer noch auf ein Sport-Stipendium hoffend, greift der Gehetzte nun regelmäßig zu Schmerztabletten. Dass er sich dadurch mit der Zeit kaum noch unter Kontrolle hat, das muss besonders seine Freundin erkennen.
Knallige Farben, stimmungsvolle Leinwandbilder
Schon in diesem Teil des Films macht Shults klar Schiff und zeigt dem Publikum, was bei ihm zu erwarten ist. Vor allem sind das knallige Farben, die von der Kamera förmlich gestreichelt werden. Oder Leinwandbilder, die sich in Größe und Format den Stimmungen der Personen anpassen. Wem das Visuelle nicht reicht, der kann sich an die Musik halten. Da gibt es den Synthie-Soundtrack von Trent Reznor und Atticus Ross, daneben aber auch noch genügend Mixtapes, damit die Klänge nie wirklich enden können.
Die zweite Hälfte des Familiendramas gehört danach Tylers Schwester Emily (starker Auftritt: Taylor Russell), die sich nach all den finsteren letzten Ereignissen ganz zurückgezogen hat. Vermutlich hätte sie sich noch länger abgekapselt, wäre da nicht ihr netter weißer Schulfreund Luke (Lucas Hedges). Mit Hilfe dieses unscheinbaren, schüchternen Typen findet sie denn auch den Weg zurück ins Leben. So sehr hängt sie an ihm, dass sie sogar bereit ist, Luke auf einem ungewöhnlichen Trip zu begleiten. Er will seinen Vater besuchen, den er lange nicht gesehen hat und der nun im Sterben liegt.
Starke Akteure und ein Splitting der Handlung
Man merkt, dass hier ein Regisseur am Werk ist, der seine Botschaft zu verkünden weiß. Mit seinen starken Akteuren und dem Splitting der Handlung will er uns zu den „Waves“ führen, zu den Wellen des Lebens. Der Weg dorthin jedoch ist gepflastert mit einer gewollt opulenten Inszenierung, die manchmal auch die jungen Schauspieler auf die Reservebank verbannt. Dann übernehmen die Musik und die oft wechselnden Bildformate. Am dramatischen Mittelpunkt des Films zum Beispiel, wenn Tyler unter steigendem Druck steht, schaut man weniger auf den Schauspieler, als auf das sich parallel dazu verengende Bildformat. Hier will einer ganz offensichtlich bedrückend wirken.