Essen. Die Sparks feiern das Subversive des Pops. Auch auf ihrem neuen Album „A Steady Drip, Drip, Drip“, mit dem sie Trumps USA den Spiegel vorhalten.
Richtig großen kommerziellen Erfolg hatten sie nur zwei Mal: In den 1970er-Jahren – und mit den Songs „This Town Ain´t Big Enough For Both Of Us” und „The Number One Song In Heaven”. Ansonsten stehen die Brüder Ron und Russell Mael weniger für globale Chartplatzierungen als für einen schrulligen Art-Pop, der in den letzten 49 Jahren allerdings ganze Generationen von Musikern geprägt hat – von Depeche Mode über Faith No More und Nirvana bis zu Björk. Ihr Anspruch: Keine konventionelle Popmusik, sondern etwas Ausgefallenes, Unkonventionelles, ja Subversives zu machen.
Darum bemühen sie sich auch auf ihrem neuen Werk „A Steady Drip, Drip, Drip“ (BMG Rights): „In der Branche scheint sich die Einstellung breitzumachen, dass es nicht mehr notwendig ist, sonderlich viel Anstrengung in seine Musik zu investieren. Und ich denke, das ist der falsche Ansatz“, so Sänger Russell – der jüngere der beiden Maels. „Man sollte etwas von seinen Künstlern verlangen können. Und das ist der Grund, warum die Sparks gerade so inspiriert sind – weil da eine solche Leere herrscht und keiner für Herausforderungen sorgt. Das spüren wir – und davon fühlen wir uns motiviert.“
Moderne Popmusik in der Krise
Das spindeldürre Männchen mit der Struwwelfrisur, das bereits stolze 71 Lenze zählt, wähnt die moderne Popmusik in der Krise – während die Sparks gerade ihren x-ten Frühling erleben: Das Duo aus Los Angeles legt einen spannenden Hybrid aus Kabarett, Barock-Pop und New Wave vor, der jedes Genre sprengt. Der mal kitschig, mal herrlich überdreht anmutet, und bei aller Verspieltheit auch vor Ironie und Sarkasmus trieft. Einfach, weil er den USA den Spiegel vors Gesicht hält – allen voran Präsident Trump, der kurz vor Ende seiner ersten Legislaturperiode steht: „Bei der Wahl im November gibt es zwei Möglichkeiten: Die erste ist, dass die Leute erkennen, dass unsere Probleme auf Trumps unzulänglichem Krisenmanagement basieren. Die zweite, dass sie ihm glauben“, so Russell. „Denn er ist täglich im Fernsehen und tut so als gebe er sein Bestes und hätte alles unter Kontrolle – was lächerlich ist. Man kann nur hoffen, dass er scheitert. Doch bei 50 Prozent der Amerikaner lässt sich das nicht vorhersagen. Sie haben mitunter andere Vorstellungen.
Für die Sparks ist Trump als Zielscheibe fast schon zu leicht. Das Duo ist eher auf Themen und Charaktere spezialisiert, die in der Popmusik alles andere als Usus sind, sondern so abseitig anmuten, dass darauf kaum jemand kommt. Auf den 14 Stücken von „A Steady Drip, Drip, Drip“ sind das illegale Immigranten, Börseneinbrüche, die Musikindustrie, Mobiltelefone, Igor Strawinsky, Existenzängste, der Weltuntergang und Nachbarn mit allzu lautem Gartengerät. „Der Typ im Song ,Lawnmower’ muss sich zwischen seinem Rasenmäher und seiner Freundin entscheiden, die ebenfalls sehr reizvoll ist – denn sie fährt einen Land Rover“, kichert Russell. „Er hat die Qual der Wahl. Dabei sind das Hauptproblem in Los Angeles eigentlich Gärtner, die mit ihren Laubbläsern durch die Nachbarschaft ziehen und einen Heidenkrach machen. Aber wir sind halt altmodisch: In unserem Song sprechen wir vom guten, alten Rasenmäher.“
Hörer mit Missständen konfrontieren und wachrütteln
Dabei verstehen sich Ron und Russell nicht nur als Entertainer, sie wähnen sich seit Beginn ihrer Karriere in den frühen 70ern auf einer regelrechten Mission: Die studierten Film- und Theaterwissenschaftler wollen sozio-politische Veränderungen herbeiführen, indem sie ihre Hörerschaft mit Missständen konfrontieren und entsprechend wachrütteln. Manchmal müssen sie allerdings auch zu härteren Mitteln greifen. Wie Russell bei seinen spießigen Nachbarn in Los Angeles: „Ich habe eine Sammlung von ,garden gnomes’, wie wir sie in Amerika nennen. Leider sind sie immer schwieriger zu bekommen. Als wir vor zwei Jahren in Deutschland waren, haben wir unseren Tourmanager gebeten, bei mehreren Gartencentern zu halten – und waren entsetzt, dass man keine vernünftigen Zwerge mehr bekommt. Es gibt nur noch solche, die einem den Mittelfinger zeigen, Dosenbier trinken oder irgendwie ironisch wirken. Das sind keine coolen Gartenzwerge. Sie müssen schon etwas traditioneller sein und etwa eine Angelrute halten. Ich weiß zwar nicht, was meine Nachbarn denken, wenn sie zwanzig davon vor meinem Haus sehen, doch zumindest lassen sie mich in Ruhe. Wahrscheinlich irritiert es sie, dass ich mich als Musiker ausgerechnet dafür interessiere. Aber ich selbst finde die Figuren nett und sehr beruhigend.“ Kein Ende in Sicht.
An den Gartenzwergen wollen sie genauso festhalten wie an ihrer Achterbahnkarriere, die sämtlichen Höhen wie Tiefen des Musikgeschäfts erlebt hat. Nächstes Jahr werden die Sparks stolze 50. Den Zeitpunkt fürs Aufhören, so Russell, haben sie schlichtweg verpasst. „Was soll’s? Der Begriff ist eh nicht Teil unseres Vokabulars. Zumal die Frage wäre, was wir dann mit uns anfangen würden. Würden wir nur rumsitzen und essen, wie wir es gerade in der Corona-Krise tun? Ich schätze, das fühlt sich so ähnlich an. Und Spaß macht es nicht. Zumal das einzige, was uns motiviert, unsere Kunst ist. Übers Aufhören denken wir momentan jedenfalls nicht nach.“ Ganz im Gegensatz zu ihrem einzigen Deutschland-Auftritt am 15. Oktober im Berliner Metropol, der weiterhin stattfinden soll. „Wenn es irgendwie geht, kommen wir – wir lassen prinzipiell keine Shows ausfallen.“