Essen. Chorwerk Ruhr und Concerto Köln nähern sich Mozarts Requiem – in jener Fassung, die Michael Ostrzyga jüngst vorlegte. Ein wahres Klang-Erlebnis.
Jede Gesamtaufführung von Mozarts „Requiem“ ist eine Illusion. Der Komponist hat nur den ersten Satz vollständig hinterlassen, den Rest fragmentarisch, Sanctus, Benedictus und Agnus Dei fehlen völlig. Die Rekonstruktion von Mozarts geschicktem Schüler Franz Xaver Süßmayr bestimmt die Rezeption des Werks bis heute, auch wenn immer wieder nach anderen Lösungen gesucht wird. So auch die von Michael Ostrzyga, der ein äußerst intensives, im Beiheft ausführlich dokumentiertes Quellenstudium betrieb und im letzten Jahr eine eigene Fassung vorlegte, die sich stärker an Mozarts Bearbeitungen großer Chorwerke von Bach und Händel orientierte als an den Stil seiner Zeitgenossen.
Spannende Interpretation von Chorwerk Ruhr und Concerto Köln unter Florian Helgath
Gleichwohl dürften die Unterschiede nur ausgepichten Kennern ins Ohr fallen, auch wenn Ostrzyga auf Trompeten verzichtet und das Lacrymosa mit Mozarts „Armen“-Fuge koppelt. Lösungen, die sich auf ebenso spekulativem Boden befinden wie manches von Süßmayr, der Mozart immerhin gut gekannt hat. Das Ereignis der neuen Einspielung ist ohnehin die Interpretation durch das Chorwerk Ruhr und das Concerto Köln unter Leitung von Florian Helgath, der mit seiner ebenso inspirierten wie schlanken, energiereichen und ausdrucksstarken Gestaltung Bestmarken setzt. Brillant der Chor, der stets transparent klingt, dynamisch weit, aber ohne aufgesetzte Extravaganzen ausgreift und die melodischen Verläufe glasklar zum Klingen bringt.
Florian Helgath setzt starke Akzente, behält aber immer Maß, entgleist nicht in Übertreibungen wie hochgejubelte Stars à la Currentzis & Co. Zusammen mit dem nicht weniger exzellenten Concerto Köln und einem ausgewogenen Solistenquartett verdient die Aufnahme einen Spitzenplatz in jeder Diskothek.
Wolfgang Amadeus Mozart: „Requiem“ (ergänzt von Michael Ostrzyga, 2019). Chorwerk Ruhr/concerto Köln unter der Leitung von Florian Helgath. Coviello (Note 1)