Essen. Von T.C. Boyle bis Anna Burns: Mit diesen Romanen lassen sich fremde Länder entdecken – auch von daheim aus. Unsere Buch-Tipps für den Urlaub.

Vielleicht packen wir keine Koffer in diesem Sommer, vielleicht steigen wir in keinen Ferienflieger – aber das Reisen kann uns doch niemand nehmen. Hier unsere Buchtipps für erlebnisreiche Literatouren, so ganz in Gedanken.

Nordamerika

Schon jetzt hat der Reigen der Corona-Romane begonnen, lesen Sie stattdessen lieber T.C. Boyle: Der amerikanische Kult-Literat hat in seinen kurzen Stories längst alles gesagt, was es zur aktuellen Weltlage zu sagen gibt. „Sind wir nicht Menschen“ (Hanser, 400 S., 23 €) erzählt von wucherndem Grün und menschlicher Natur, von Egoismus und Enge, von Mundschutz und Mitgefühl. Grandios!

Indien

Jai lebt im Basti, einem Slum am Rande der Müllkippe: Aus seiner kindlichen, unverstellten Sicht erzählt die Soziologin Deepa Anappara in ihrem Romandebüt vom modernen Indien und seinen Schattenseiten. „Die Detektive vom Bhoot-Basar“ (Rowohlt, 400 S., 24 €) spart nichts aus, dennoch gelingt es der Autorin, im Müll und Dreck des Slums Hoffnung zu finden.

Nordirland

Belfast, die 70er Jahre: Die Fronten laufen mitten durch Familien und Freundeskreise. Anna Burns nennt im Roman „Milchmann“ (Tropen, 452 S., 25 €) ihre Figuren „älteste Freundin“ oder „Schwager Nummer drei“ – und zeigt so, wie schwer es ihrer Protagonistin fallen wird, sich aus dem Korsett gesellschaftlicher Zuweisungen zu befreien. Der Roman erhielt den Booker Preis – ein herausragendes Lese-Erlebnis.

Frankreich

Eine dunkelhäutige Politikerin soll ermordet werden – und ein Agent der Parallelpolizei Unité stellt sich gegen die eigenen Leute, um das zu verhindern. Jerome Leroy erfindet nicht nur einen „Schutzengel“ (Edition Nautilus, 352 S., 20 €), der über Leichen geht, sondern erzählt auch vom Staat im Staat mit seinen eigenen Gesetzen – ein Krimi mit Tiefgang, spannend bis zuletzt.

Trinidad

Schon 1952 erschien Samuel Selvons Roman „Eine hellere Sonne“ (dtv, 256 S., 22 €): Der 16-jährige Junge Tiger wird mit einem Mädchen verheiratet, das er nie zuvor gesehen hat – und schafft es mit Witz und Mut, mit den Konventionen zu brechen. Dabei hilft der erste Highway Trinidads, den die Amerikaner quer über die Insel bauen: Ein Schelmenroman aus dem karibischen Spätkolonialismus.

Argentinien

Tango, Fußball, Rinderzucht – und politischer Extremismus, der zum Verbrechen führt: Wenn Martin Caparros in „Väterland“ (Wagenbach, 288 S., 22 €) ins Argentinien der 30er Jahre abtaucht, führt er mit satirischem Witz auf den Seelengrund seines Landes.

Dänemark

Schwebend und leicht kommen die Erzählungen von Dorthe Nors daher: „Die Sonne hat Gesellschaft“ (Kein & Aber, 144 S., 20 €) verkehrt Gewissheiten ins Gegenteil und spielt mit dem, was wir für die Wirklichkeit halten. Eine Entdeckung!

Nigeria

Immer der Ärger mit der Leiche! Weil die ältere Schwester fatalerweise dazu neigt, ihre Liebhaber zu ermorden, muss die jüngere all ihr Krankenschwesternwissen für deren Beseitigung aufbringen. Oyinkan Braithwaite spielt in „Meine Schwester, die Serienmörderin“ (Blumenbar, 240 S., 20 €) mit verschiedenen Genres und lädt ein, Nigerias Millionenmetropole Lagos von allerschrägster Seite kennenzulernen.

Georgien

Sinka heißt das kleine Mädchen, das plötzlich vor einem Haus in Tiflis steht und das Leben seiner Bewohner auf den Kopf stellt: Anna Kordsaia-Samadaschwilis erzählt in „Sinka Mensch“ (Frankfurter Verlagsanstalt, 192 S., 22 €) prallbunt und märchenhaft von Menschen, die nichts haben – und trotzdem alles geben, um das Leben zu feiern.