Bonn. Die neue Ausstellung „State of the Arts - Die Verschmelzung der Künste“ in der Bonner Bundeskunsthalle zeigt grenzüberschreitende Kunst.
Eigentlich wäre jetzt die ideale Zeit für großangelegte Land-Art-Ausstellungen oder Freiluft-Projekte á la Christo. Aber in der Bonner Bundeskunsthalle hat man sich vor einer Weile schon vorgenommen, eine Ausstellung mit grenzüberschreitender Kunst zu präsentieren, in der Tanz und Innenarchitektur, Musik und Video, Skulptur und Literatur, Grafik und Performance miteinander verschmelzen. Dass indes gerade ganz neue Grenzen eingehalten werden müssen, schlägt der Ausstellung, die nun für zwei Monate läuft, nicht unerheblich ins Kontor.
Gleich zwei Werke im geplanten Ausstellungsparcours fehlen derzeit noch ganz. Simon Fujiwaras vielversprechende 5D-Simulator-Installation eines Freizeitparkkinos steckte länger als geplant in den Corona-Kalamitäten von New York fest und wird für Ende nächster Woche in Bonn erwartet, und für die Live-Steuerung von Besuchern, wie die Künstlerin Begüm Erciyas sie geplant hat, fehlt bislang noch die Freigabe des Bonner Gesundheitsamtes.
Dauermaskierte Befangenheit gegenüber den Werken
Und auch sonst dürfte es Besuchern schwerfallen, die dauermaskierte Befangenheit gegenüber den Werken abzulegen, die mehr als andere auf Empfindungen abzielen, auf Reaktionen, auf Denk- und Körperbewegungen. Masken und Sicherheitsbestimmungen legen sich wie ein Schleier auf Werke wie Raphaela Vogels beängstigende Raum-Installation mit einer gigantischen Spinne in allmählicher Zersetzung, mit Surfbrettsegeln, die wie Insektenflügel an der Wand installiert sind, mit gespenstischen Groß-Fellen aus Stoff, mit einem hängenden Puppenhaufen und der an sich schon fesselnden Videoinstallation „Tränenmeer“, in deren Mittelpunkt die Künstlerin auf einem surreal strudel- und wellenumtosten Felsen Akkordeon spielt, als Video, versteht sich.
Etliche Arbeiten sind mit Live-Performances verbunden, über deren Zeiten man sich vorab kundig machen sollte. Denn ohne persönliche Belebung wirken die ausgestellten Werke nicht selten wie die im Kunstbetrieb zu Reliquien erklärten Überbleibsel von Aktionen eines Joseph Beuys, den die ausgestellten Künstler und Künstlerinnen der 80er- und 90er-Geburtsjahrgänge getrost als ihren Ahnvater empfinden dürfen.
Aufblasbare Riesenschwäne ähneln emporgereckten Mittelfingern
Nicht alle sind so voller Humor wie der neodadaistische David Shrigley, dessen aufblasbare Riesenschwäne das Publikum im Foyer mit einem Schwenken ihrer Hälse begrüßen (die nicht von ungefähr emporgereckten Mittelfingern ähneln…) und dessen „Der Künstler“ genannter Roboter drinnen dann als Kopf mit Stiften in der Nase auf dem Boden Kreise und Bahnen übers Zeichenpapier zieht. Die vier teppichgroßen Blätter sollen nach der Ausstellung vernichtet werden.
Schon draußen vor der Tür wird man begrüßt von Dries Verhoevens Kassettenrekorder, der Lieder eines albanischen Bettlers abspielt, die der Künstler in der Bonner Fußgängerzone aufnahm, um auf die Verdrängung der Armut aus dem öffentlichen Bild unserer Innenstädte aufmerksam zu machen.
Bilder und Buchstaben erzählen verstörende Geschichten
Beklemmend wird es drinnen dann mit den skelettösen „Männern“ und „Frauen“ von Laure Prouvost, die aus dünnen Stahlstangen bestehen und an Stelle eines Kopfes Bildschirme tragen, auf denen Bilder und Buchstaben verstörende Geschichten erzählen, die auseinanderfallen in wörtlich behauptete Harmlosigkeit und bildliche Bedrohung.
Aber mindestens eine Woche sollte man wohl noch mit einem Besuch in Bonn warten: Dann gibt es obendrauf noch eine weitere grenzüberschreitende Ausstellung mit bildenden Künstlern, die Musik machen: Videos von Yoko Ono und Nam June Paik, von A. R. Penck, Hanne Darboven und Hermann Nitsch, von Alan Vega, Albert Oehlen und Pipilotti Rist.
„State of the Arts“, Bundeskunsthalle Bonn, bis 26. August. Geöffnet: Di/Mi 10-21 Uhr, Do-So 10-19 Uhr. Eintritt. 10, erm. 6,50 Euro www.stateofthearts.de