Dortmund. Den Auftritt des „Konzerthausorchesters Berlin“ im Dortmunder Konzerthaus dirigierte Residenzkünstlerin Mirga Gražinyté-Tyla – großer Beifall.

Allmählich öffnen sich die Konzertpodien sogar sinfonischen Orchestern, wenn auch in kleinen Besetzungen mit entsprechend zugeschnittenen Programmformaten, auf die sich die meisten Orchester wohl bis zum Jahresende einrichten müssen. Dass das nicht so trostlos wirken muss wie im Europa-Konzert der Berliner Philharmoniker mit einer Mahler-Symphonie in Kammerbesetzung, zeigte jetzt der Auftritt des „Konzerthausorchesters Berlin“ im Dortmunder Konzerthaus.

Das in Ost-Berlin gegründete, bis 2006 unter dem Namen Sinfonie-Orchester Berlin bekannte Ensemble hatte es immer schwer, sich gegen die Dominanz der Philharmoniker durchzusetzen. Obwohl es durch Kurt Sanderling internationales Ansehen erwarb und derzeit von niemand Geringerem als Christoph Eschenbach geleitet wird. Der ist freilich erkrankt und wurde in Dortmund durch die derzeitige „Exklusivkünstlerin am Konzerthaus Dortmund“, die litauische Dirigentin Mirga Gražinyté-Tyla, ersetzt. Obwohl hochschwanger, schenkte sie sich nichts und führte mit konzentrierter Energie durch das Programm, dem auch in der Besetzung mit nur 32 Musikern nichts an Volumen und klanglichem Reiz verloren ging.

Der hochbegabte iranische Cellist Kian Soltani spielte hellwach und klanglich nuanciert

Im Gegenteil: Mit 20 Streichen und 11 Bläsern plus Pauke lässt sich in Beethovens 4. Symphonie eine ungleich ausgewogenere Balance zwischen den Gruppen herstellen als in gewohnten, Streicher-betonten Formationen. Die gesamte Interpretation gewinnt an Elastizität, dynamischer Prägnanz und klanglicher Transparenz. Attribute, die die Dirigentin voll ausspielte, auch wenn angesichts der straffen Tempi und extrem filigran gesetzten Texturen kleine Ungenauigkeiten im Zusammenspiel in Kauf genommen werden mussten. Sicher auch Folgen der Abstandsregeln auf dem Podium, die die Höreindrücke der Musiker, zumal in einem fremden Saal, beeinflussen dürften.

Haydns Cello-Konzert in C-Dur verkraftet die schlanke Besetzung noch unproblematischer, so dass der hochbegabte iranische Cellist Kian Soltani den warmen, substanzreichen Ton seines Stradivari-Instruments geradezu mühelos verströmen lassen konnte. Spieltechnisch auf der beachtlichen Höhe, die heutigen Cellisten abverlangt wird, bot er eine hellwache, klanglich nuancierte, ebenso virtuose wie im langsamen Satz ausdrucksvolle Wiedergabe des Werks.

Raminta Šerkšnytés Streicher-Stück „De profundis“ aus dem Jahre 1998 zum Auftakt

Eingeleitet wurde das Programm mit einem Gruß an die litauische Heimat der Dirigentin und zwar mit Raminta Šerkšnytés Streicher-Stück „De profundis“ aus dem Jahre 1998. Eine expressive Elegie, durchsetzt mit einigen Hoffnungsschimmern in einer gemäßigt modernen Tonsprache. Wie sehr die ausdrucksstarke Musik der Komponistin die Dirigentin Mirga Gražinyté-Tyla bewegte, hörte und sah man der Interpretation in jedem Takt an.

Nicht weniger deutlich konnte man dem lang anhaltendem Beifall des Publikums entnehmen, wie dankbar und erleichtert die Wiederbelebung der „Live-Kultur“ aufgenommen wird.