Unna. Farbenfroh und strahlend: Das Zentrum für Internationale Lichtkunst in Unna zeigt mit „Neon Delight“ einen Überblick von Neon in der Lichtkunst.
Fluch oder Segen: Was wiegt schwerer? Olivia Steele legt das Neonwort „blessing“ in die Waagschale. Die US-amerikanische Künstlerin setzt auf Segen – auch in (diesen) schwierigen Zeiten. Das sieht gut aus, das fühlt sich auch gut an. Wie überhaupt die Ausstellung „Neon Delight“ im Zentrum für Internationale Lichtkunst in Unna in eine völlig andere Welt entführt und für vielleicht zwei Stunden die Seele streichelt. Delight, das kann auch in der Kunst reiner Genuss sein: Lichtkunst von international renommierten Künstlerinnen und Künstlern vor allem farbenfroh, ästhetisch, strahlend.
Zwei Jahre Vorbereitung liegen hinter Museumsdirektor John Jaspers, der sich durch die Galerien und Museen der Welt recherchiert und telefoniert hat, um 15 Künstlerinnen und Künstler – so viele wie noch nie im unterirdischen Labyrinth der ehemaligen Lindenbrauerei – zusammenzubringen. Arbeiten aus den 1960er Jahren, als Neon das Bling-Bling für billige Stundenhotels in Las Vegas längst hinter sich hatte - bis zu zeitgenössischen Werken finden hier unten den richtigen Platz.
Ein repräsentativer Überblick über Neon in der Lichtkunst
Besucher erwartet ein repräsentativer Überblick über Neon in der Lichtkunst – ein Material, das Künstler von jeher fasziniert hat, weil sie irgendwann entdeckten, dass die blauen, grünen, weißen oder roten Röhren am besten das Licht, das Leuchten mit der Kraft der Sprache verbinden. Geblasene Buchstaben und Schriftzüge haben ihre ganz eigene Ästhetik, sie sind so fragil wie faszinierend, obendrein ein handwerklich wie technisches Meisterwerk.
Neonbläser, das ist in Deutschland ein aussterbender Beruf. Welch ein Glück, das einer der letzten deutschen Neonglasbläser, Dietmar Finzel, noch eine kleine Werkstatt im benachbarten Schwerte hat. Einige Buchstaben gingen beim Transport zu Bruch, Dietmar Finzel musste sie fix neu blasen.
Das Werk des Italieners ist ein Kracher mit Strahlkraft
Die Ausstellungstür geht auf, und Gästen entfleucht ein Ausruf der Begeisterung: Gleich zu Beginn der Begehung fordert Maurizio Nannucci auf einer Riesenwand „Never move far from Color“ / Entferne Dich nie weit von der Farbe. Das Werk des Italieners von 2018 ist ein Kracher mit Strahlkraft. Im gleichen Raum schreibt Tracey Emin in Orange und eher zierlich„You never should have loved me the way you did“ (Du hättest mich niemals so lieben sollen, wie Du es getan hast).
Neonkunst, das ist Schrift und Text, aber auch Struktur oder Skulptur oder eben auch eine Mischung wie bei Brigitte Kowanz‘ Spiegelarbeit oder einer eher malerischen Installation an der Mauer von Keith Sonnier. Eine 3,50 Meter leicht geschwungene Linie nennt Giny Vos „Last Horizon“ (Letzter Horizont). Physik trifft Metaphysik.
Das komplette Gewölbe wurde in Neon getaucht
Die älteste Arbeit der Ausstellung stammt vom Neon-Altmeister Bruce Nauman und ist eine Leihgabe aus Esslingen. Ohne die Zusammenarbeit mit Museen, Galerien und Sammlern hätte die Schau nicht realisiert werden können, betont John Jaspers. Das komplette Gewölbe wurde in Neon getaucht, zusammen mit vielen eigenen Installationen, die das Unnaer Museum besitzt, ergibt sich eine dichte rhythmische Reise durch die Kunst mit Neon. Geboten wird auf knapp 3000 Keller-Quadratmetern ein Seh-Vergnügen und ein Themenspaziergang von Flower Power, Liebe und Leiden, Poesie wie Philosophie, bis zur Abstraktion und Geometrie der konkreten Vertreter wie François Morellet, Jan van Munster oder auch Anselm Reyle.
Und sollte Corona bald mal wieder einen Themenwechsel zulassen, hat „Neon Delight“ unabhängig von seiner künstlerischen Anziehungskraft ohnehin das Zeug zu einem Sommerknüller. Kunst-Genuss im kühlen Keller: Das ist und bleibt im Klimawandel ein heißer Tipp.
„Neon Delight“, bis 29. November. Zentrum für Internationale Lichtkunst, Lindenplatz 1, 59423 Unna. Anmeldung: Telefon: 02303/ 103 751, info@lichtkunst-unna.de.