Rom. „Raffael 1520-1483“, eine der spektakulärsten Ausstellungen des Jahres, fiel Corona zum Opfer. Nun sind die Werke des Genies wieder zu sehen.
Eine Ausstellung der Superlative sollte es sein. Dann wurde Roms große Raffael-Schau ein Opfer des Corona-Lockdown. Seit Dienstag ist eine der wohl hochkarätigsten Ausstellungen des Museumsjahres 2020 aus dem Dornröschenschlaf erwacht. Ein kleines Wunder: Gestern wäre sie eigentlich zu Ende gewesen. Nun läuft sie bis zum 30. August, dank der Bereitschaft aller Leihgeber zur Verlängerung. Mit über 200 Werken aus 52 renommierten Museen ist sie die bedeutendste und größte Raffael-Schau, die es je gegeben hat.
Drei Monate lag Weltkunst im künstlichen Koma der Krise. Manches Bild trug Trauer: empfindliche Zeichnungen wurden zur Schonung schwarz eingehüllt. Dabei gab es 60.000 vorbestellten Karten, ein Rekord in der Geschichte der Scuderien. Zu Recht: „Nie zuvor in der Geschichte war es möglich, so viele Raffael-Meisterwerke auf einmal bewundern zu können“, sagt der deutsche Kunsthistoriker Eike Schmidt, Direktor der Uffizien in Florenz und Mitveranstalter in Rom, stolz auf seine Mitarbeit in dreijähriger Vorbereitung der Schau. Jedes vierte ausgestellte Werk schickte er in die Scuderien, dem wunderschönen Ausstellungsgebäude am Staatspräsidentenpalast mit herrlichem Blick über Rom.
Ausstellung „Raffael 1520 – 1483“ verläuft chronologisch rückwärts
„Raffael 1520 – 1483“ heißt die chronologisch rückwärts verlaufende Ausstellung. Sie beginnt mit dem Ende: Mit nur 37 Jahren erlag das Hochrenaissance-Genie aus Urbino in den Marken in der Blüte seines Schaffens einem geheimnisvollen Fieber. Unter Papst Leo X. war er als Maler, Architekt fürs Projekt Petersdom und Präfekt für die Antike in Rom tätig. Das Grabmal des „Göttlichen“ im Pantheon ist mittels Computertechnik haargenau nachgebaut worden.
Zahlreiche Schriftstücke, Zeichnungen und Originalbriefe illustrieren Raffaels leidenschaftliches Engagement für die Wiedergeburt der Antike. So regieren die Schau nicht nur Gemälde und Zeichnungen. In zeitgeschichtlichen Kontext gestellt wird sein Schaffen durch weitere Ausstellungsstücke wie Skulpturen, antike Artefakte, Dokumente und Bücher.
Schau zeigt Raffael als Maler lieblich-sanfter Madonnen
Gleich in den ersten Sälen findet sich sein spätes Selbstporträt mit Freund aus dem Louvre. Ferner das frisch restaurierte kostbare „Porträt von Papst Leo X. mit den Kardinälen Julius de’ Medici und Luigi de’ Rossi“ – alle drei verwandt – aus den Uffizien.
Erst ab Saal vier kommt Raffael als der Maler lieblich-sanfter Madonnen zur Geltung, wie er weltweit geschätzt wird. Die innige „Rosenmadonna“ (1518-1520) aus Madrids Prado, die „Madonna der göttlichen Liebe“ (1516) aus Neapel – alle entstanden einst in Rom. Die wunderschöne „Alba Madonna“ (1510), sitzende Maria mit Jesus und Johannes dem Täufer als Kind, ist erstmals von der National Gallery of Art von Washington nach Europa ausgeliehen worden. Natürlich gehört auch die innige „Madonna mit Kind“ (Madonna Tempi, 1507 – 08) aus Münchens Pinakothek dazu.
Porträts der Päpste Julius II. und Leo X.
Raffael war der bevorzugte Künstler zweier Päpste, auch das eine Seltenheit. Erst von Julius II., dann von Leo X. Erstmals sind seine Porträts der beiden Kirchenoberhäupter gemeinsam ausgestellt. Aus den Vatikanischen Museen kommt einer der berühmten Wandteppiche zur Darstellung der Apostelgeschichte, Raffael kreierte die Vorlagen.
Stetig umlagert sind zwei Frauenporträts im zweiten Stock. Die „Dame mit Schleier“ (1512-1513) und die „Fornarina“ als Venus (1519-1520) hängen nicht zufällig einander gegenüber. Vielleicht ist es dieselbe Frau, die der Meister da gemalt hat. Das wird vermutet, es ist aber nicht dokumentiert. Tatsächlich ähneln sich die Gesichter. Die „Fornarina“, eine Bäckerstochter aus der Altstadt Trastevere, trägt ein Armband mit Raffael-Widmung. Sie gilt als seine späte Geliebte.