Münster. Picasso-Museum Münster: Am Anfang standen 722 Lithografien, in 20 Jahren kamen 1126 Werke hinzu – von denen das Haus nun „Simply the Bestt“ zeigt.
Eigentlich hatte Gert Huizinga (1927-2018) Künstler werden wollen, ganz wie seine Studienkollegen Horst Janssen und Günter Grass. Es reichte aber doch nur zu einer gut bezahlten Gerbrauchsgrafiker-Karriere in der Verpackungsindustrie. Huizinga wurde allerdings auch zum leidenschaftlichen Sammler von Kunst und verewigte sich mit einer Stiftung, in die er sämtliche 722 Lithografien von Pablo Picasso einbrachte. Als man dieser Stiftung in Münster vor 20 Jahren gleich ein ganzes eigenes Museum einrichtete, wirkte der Name Picasso-Museum Münster noch recht unwestfölisch vollmundig.
Georges Braque, Marc Chagall, Henri Matisse
20 Jahre später hat sich das Museum, das die örtliche Sparkasse gleich um eine ganze Shopping-Mall arrondierte, mit einfallsreichen, sehenswerten Ausstellungen etabliert. Schon Picasso tönte ja: „Gebt mir ein Museum, und ich werde es füllen!“ Vor allem aber wuchs die Sammlung des Museums mit Zustiftungen, Dauerleihgaben und Ankäufen erheblich um weitere 1126 Werke, von denen Hausherr Markus Müller nun, wiederum nicht ganz unbescheiden „Simply the Best“ präsentiert: Bestechend gute Drucke des Namenspatrons, vor allem aus der „Suite Vollard“, deren 100 Radierungen das Museum ebenfalls komplett erwerben konnte; aber auch grafische Werke der Kollegen und Konkurrenten der „École de Paris“ Georges Braque, Marc Chagall und Henri Matisse.
Dessen Künstlerbuch „Jazz“, Inbegriff des Genres im 20. Jahrhundert, gibt dabei mit seiner wuchtigen, alle Konventionen beiseitewischenden Farbsetzung das größte Augenlust-Spektakel ab. Doch auch Chagalls Grafiken, deren tänzelnde Nähe zum Dekorativen mit ihrer massenhaften Reproduktion verstärkt wurde, sind hier noch gelegentlich von unvermindert provokanter Poesie durchweht.
Picasso, der Selbstdarsteller
Die Papiercollagen eines Georges Braque, der mit Picasso gemeinsam vor dem Ersten Weltkrieg den Kubismus erfand, geben in dieser Reihe das sprödeste, sperrigste Material ab. Hier ist etwas von den typischen Suchbewegungen der Grafik zu spüren, von ihrer experimentellen Grenzgängerei, die stilbildende Formen schafft. Der späte Braque war fasziniert vom Vogelflug – und wieder fällt die Parallelbewegung mit Picasso auf, dessen Vorstudien zur hernach emblematischen Friedenstaube hier als Lithografien hängen.
Wie fast alles bei Picasso – ob Techniken, Stile oder Frauen – blieben auch sie nur eine Phase; das Druckwerk war für den impulsiven Jahrhundertkünstler eh eine schwere Geduldsprobe. Er war nachtaktiv, begann erst kurz vor Mitternacht zu arbeiten; da hatten die Drucker nur den Vormittag für ihre Arbeit, am Mittag wollte Picasso die Ergebnisse sehen. Und er war ja nicht nur ein großer Kunstarbeiter, sondern auch ein grandioser Picasso-Darsteller, der sich in jeder Sekunde zu inszenieren wusste, Regisseur und Hauptdarsteller im Film seines kunst- und affäreneichen Lebens.
David Douglas Duncans Fotos mit Picasso und „Lump“
Kaum jemand wüsste das besser als die Fotografen, die Picasso begleiteten, allen voran der als Kriegsberichterstatter berühmt gewordene David Douglas Duncan: Er schenkte Münster, wie allen anderen Picasso-Museen der Welt, 2014, vier Jahre vor dem Ende seines 102-jährigen Lebens, 161 Abzüge seiner Fotos, viele davon mit „Lump“ als Picasso-Anhänger: ein Dackel, der beim ersten Zusammentreffen vom Fotografen zum Magier der Kunst übergelaufen war. Aber in Münster ist Picasso alles andere als auf den Hund gekommen.
„Simply the Best. Neuerwerbungen aus 20 Jahren.“ Bis 6. September, Picasso-Museum Münster, Picassoplatz 1, Di-So 11-17 Uhr. Eintritt: 10 €, erm. 8 €. Audioguide 3 €.