Essen. Über die Ruhrtriennale hinaus spaltet Achille Mbembe, nicht weniger tat es zuletzt Felix Klein, der Mbembes Ausladung vorangetrieben hatte.

Felix Klein, der Beauftragte der Bundesregierung für „jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus“, hat es nicht leicht. Antisemitische Tendenzen haben so gewalttätige Formen angenommen, dass er Juden mittlerweile abrät, öffentlich die Kippa zu tragen. Da mag es verwundern, dass namhafte israelische und jüdische Wissenschaftler und Intellektuelle in offenen Briefen schwere Vorwürfe gegen Klein erheben und sogar die Absetzung des Diplomaten fordern.

Die Soziologin Eva Illouz, die in Paris lehrt und den Appell unterzeichnete, wirft Klein in der „Zeit“ eine zu starke Ausweitung bei „Definitionen wie Antisemitismus und Rassismus“ vor. Gemeint ist damit die Verunglimpfung von Kritik an israelischer Politik als antisemitisch. Eva Illouz befürchtet angesichts dieser Praxis eine Einschüchterung der Meinungsfreiheit und letztlich auch der künstlerischen Freiheit.

Achille Mbembes Kritik an Isreal rief Felix Klein auf den Plan

In der Tat reagiert Klein sehr dünnhäutig auf Kritik an israelischer Palästinenser-Politik. Den äußeren Anstoß für die Rücktrittsforderung durch israelische Kritiker gaben Kleins Attacken gegen die Ruhrtriennale und ihren Plan, für die Eröffnungsrede des mittlerweile Corona-bedingt abgesagten Festivals den Historiker Achille Mbembe einzuladen. Einen scharfen Kritiker der israelischen Siedlungspolitik. Klein warf ihm in zusammenhangsbefreiten Zitaten vor, den Holocaust zu verharmlosen und das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen. Was Josef Schuster vom Zentralrat der Juden ermunterte, die Absetzung der Triennale Intendantin Stefanie Carp zu fordern.

In dem offenen Brief solidarisieren sich jüdische Intellektuelle, darunter die Buchhandels-Friedenspreisträgerin Aleida Assmann und die Philosophin Susan Neiman, mit dem afrikanischen Historiker. Mbembe gilt als bedeutendster Historiker des Postkolonialismus, ist Träger des Geschwister-Scholl-Preises und hat im letzten Jahr noch eine Vorlesungsreihe an der Kölner Universität gehalten. Auch wenn er den Holocaust in Verbindung zu Folgen des Kolonialismus wie der ehemaligen Apartheid-Politik Südafrikas und Israels Palästinenser-Politik betrachtet, lässt sich eine Gleichsetzung der Siedlungspolitik mit dem Holocaust bei ihm nicht feststellen. Mbembes differenzierte Analysen werden von Universitäten geschätzt, und so hat NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen Recht, wenn sie zur Versachlichung der Diskussion aufruft.

Eine Versachlichung der Debatte um Achille Mbembe ist geboten

Eva Illouz bemängelt Mbembes mangelndes „Mitgefühl für die tragische Geschichte der Juden“ und sein fehlendes „Gespür für die Komplexität des Nahen Ostens“; sie sieht aber keine antisemitischen Tendenzen. Und fordert, Andersdenkenden mit Argumenten zu begegnen, „nicht mit Einschüchterung“. Felix Klein wirft sie „Doppelmoral“ im Umgang mit Israels Regierungschef Netanjahu vor, wenn der Allianzen mit Politikern wie Orbán, Duterte oder der polnischen Regierung schmiedet: Alle mit einer „stark antisemitischen Agenda“.

Der Zentralrat der Juden hat die Vorwürfe gegen Klein als „absurd“ abgelehnt. Der Ruf nach Absetzung Kleins wird die Debatte nicht versachlichen. Es wäre jedoch fatal für die Meinungs- und künstlerische Freiheit, wenn jede kritische Äußerung gegen Israels Politik durch Antisemitismus-Vorwürfe unterdrückt würde.