Im Roman „Die Optimisten“ erzählt Rebecca Makkai von Schuld, Aids und der Hoffnung, die immer zuletzt stirbt. Ein grandioses, trauriges Werk.
Über 30 Jahre hinweg verknüpft die Autorin zwei Geschichten. Die von Yale, einem aufstrebenden Kunstexperten aus Chicago, der 1985 einer hochkarätigen Privatsammlung auf die Spur kommt. Und die von Fiona, der Schwester von Yales bestem Freund Nico, die sich 2015 in Paris auf die Suche nach ihrer Tochter macht. Aber es gibt noch eine dritte Geschichte: die der schwulen Community von Chicago, die in den 1980er Jahren glaubt, ihren Traum von freier Liebe ausleben zu können, um festzustellen, dass das HIV-Virus dem ein grausames Ende bereitet. Der mehrfach prämierte und für den Pulitzer-Preis nominierte Roman „The Believers“ von Rebecca Makkai, ist jetzt auf Deutsch erschienen. Ein zentrales Thema in „Die Optimisten“: Schuld.
Weil man sich zu etwas hat hinreißen lassen, was man nicht wieder gutmachen kann. Weil man eine falsche Entscheidung gefällt oder nicht die richtigen Fragen gestellt hat. Jemanden im Stich ließ, aus Feigheit die Flucht ergriff oder mit einer Lüge das Vertrauen eines geliebten Menschen zerstörte. Und es geht um Kunst. Die über 90-jährige Nora hat in den 1910er und 1920er-Jahren in Paris gelebt, Kunst studiert und Malern Modell gesessen. Malern wie Modigliani, Soutine oder Pascin. Als Lohn dafür erhielt sie jeweils ein signiertes Werk. Um die 20 besitzt sie, die nie ausgestellt wurden. Yale soll dafür sorgen, dass diese Schätze in eine Stiftung überführt werden – was für ein Coup!
Rebecca Makkai beschreibt die Streifzüge durch die Clubs, Bars und Restaurants
Sein Leben, das von seinem Partner Charlie und ihrer Clique bewegt sich in ähnlichen Bahnen wie Noras Jugend in Paris. Es ist eine schillernde, kreative Welt, abseits bürgerlicher Normen und Moralvorstellungen. Dort wiederholt sich, was der Erste Weltkrieg brachte: das große Sterben der jungen Männer. Die, wenn sie nicht in Schützengräben verreckten, einer anderen Pandemie zum Opfer fielen: der Spanischen Grippe.
Makkai beschreibt die Streifzüge durch die Clubs, Bars und Restaurants von „Boystown“, dem schwulen Epizentrum von Chicago, so anschaulich, als sei sie dabei gewesen. Und habe später auch das elende Zugrundegehen in verdreckten Appartements und überfüllten Klinikfluren miterlebt. Für ihr Buch hat die 1973 geborene Autorin mit vielen Zeitzeugen wie Ärzten und Schwestern, Langzeit-HIV-Patienten und Überlebenden gesprochen. Dem verdanken „Die Optimisten“ ihre schmerzhafte Authentizität.
Am Ende des Romans läuft ein Film, in dem man Yale, Charlie und die anderen noch einmal so sieht, wie sie waren: „Junge Männer mit den Händen in den Hosentaschen, die darauf warteten, dass alles begann.“ Der traurige, schöne Schluss eines traurigen, schönen Buchs.
Rebecca Makkai: Die Optimisten. Eisele, 624 Seiten, 24 Euro.