Beste Freunde für die Krise: Im dritten Teil der Serie stellen wir Werke vor, die den Humor zu pflegen wissen, von Walter Moers bis Julian Barnes.

Die Stadt der Träumenden Bücher (Walter Moers)

Wenn die Hauptfigur eines Romans nicht nur ein Dinosaurier ist, sondern auch noch Hildegunst von Mythenmetz heißt, hat der Autor entweder Humor oder einen Knall. Walter Moers, der Schöpfer von Käpt‘n Blaubär, hat mit dem Kontinent Zamonien eine Parallelwelt erfunden, in der sich der Leser umso vergnüglicher einrichtet, als es vor Anspielungen auf die reale Literaturszene nur so wimmelt. Alleine die Namen! Oft handelt es sich um Anagramme wie Orca de Wils oder Ojahnn Golgo van Fontheweg. Das Entschlüsseln vertreibt genüsslich die Corona-Freizeit. Schauerroman und Märchen vereinen sich bei Walter Moers zu einer überaus anregenden Lektüre, angesichts deren Treffsicherheit einem manchmal auch das Lachen im Hals steckenbleibt. Hildegunst von Mythenmetz ist in der Stadt der Träumenden Bücher übrigens auf der Suche nach dem Orm, also der Fähigkeit, vollkommene Literatur zu verfassen. Wenn das kein Witz ist.

„Eine Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln“ (Julian Barnes)

Jeder Witz beruht in der einen oder anderen Weise auf einer Form von Unangemessenheit, und deshalb ist selbstverständlich schon der Titel von Julian Barnes‘ „Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln“ der erste Witz. Es geht weiter mit der Vorstellung, dass Noah und die übrige Besatzung der Arche eine ganze Reihe von Tierarten vor lauter Hunger und manchmal auch aus bloßem Appetit für immer von der Erde vertilgt haben. Das Prinzip Arche, die Rettung des Menschen und anderer Wesen vor dem Wüten der Welt, zieht sich als roter Faden durch die Kapitel; sie handeln von Walreisenden, Schiffbrüchigen und Piraten und nicht zuletzt von Holzwürmern, die anders als Menschen nicht so dumm sind, den Ast abzusägen, auf dem sie sitzen, zumal sie ja gar keine Säge haben. Die Kapitel sind zuweilen so widersprüchlich wie die des wirklichen Lebens, und dass das zwischen dem achten und neunten, eine große Liebeserklärung an die Liebe, aber nur halb ist und „In Klammern“ heißt, darf man getrost als einen der größten Witze dieses Buchs lesen: „Trotzdem müssen wir an Liebe glauben, genau wie wir an Willensfreiheit und objektive Wahrheit glauben müssen.

Vielleicht erreichen wir die Liebe nicht, oder wir erreichen sie und stellen dann fest, daß sie uns unglücklich macht; trotzdem müssen wir daran glauben. Tun wir das nicht, dann kapitulieren wir einfach vor der Geschichte der Welt und vor anderer Leute Wahrheit.“

„Per Anhalter durch die Galaxis“ (Douglas Adams)

Die Antwort auf alles? Auf das Leben, das Universum und den ganzen Rest? Wer hier auf „42“ als Lösung tippt, weiß auch, dass man auf Reisen immer ein Handtuch dabei haben sollte: Wenn es wirklich brenzlig wird, einfach über den Kopf ziehen – und so dem Angesicht der Gefahr entkommen. Das lernt der Brite Arthur Dent, als die Erde leider einer galaktischen Hyperraum-Expressroute weichen muss und er in ein Weltraumabenteuer geschleudert wird, das Douglas Adams in seine Trilogie von fünf (!) Romanen gießt.

In meinem Regal stehen bis heute die gelbseitigen englischen Taschenbücher, auch wenn sie nicht ansehnlich sind: zerfledderte Erinnerung an die bislang einzigen Lese-Momente, in denen ich laut lachen musste.

„Reisen und andere Katastrophen“ (Hermann Harry Schmitz)

Hermann Harry Schmitz ist ein bisschen aus dem Blickwinkel geraten, auch wenn die nach ihm benannte „Societät“ in seiner Heimatstadt Düsseldorf sein Werk verdienstvoll pflegt. Aber der groteske Humor, der immer ein wenig in Wahn und Tod zugleich hineinlappt, hat es ohnehin nicht leicht hierzulande. Dabei muss einem die Satire in Schmitz’ Erzählungen zuweilen aktueller denn je vorkommen wie die über „Reisen und andere Katastrophen“. Humor funktioniert ja ohnehin am besten über die Kurzstrecke, einer der vielen Gründe, warum Thomas Manns „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ unvollendet blieb. Hermann Harry Schmitz konnte aber Ironie, Scherz, Satire und tiefere Bedeutung. Als dem Helden in der Geschichte „Die Taufe“ ein Topf Preiselbeeren herunterfällt, das seine Zimmerwirtin in seinem Kleiderschrank aufbewahrt, hätte ich das normalerweise für plump ausgedacht gehalten. Allerdings war mir „Reisen und andere Katastrophen“, weil es ganz oben und fest zwischen andere Bände gepresst im Regal stand und ich nur auf Zehen gereckt mit einer einzigen Fingerspitze darankam — auf den Kopf gefallen. Was man von den Geschichten darin wahrlich nicht sagen kann.

„Nat Tate“ (William Boyd)

„Nathwell – Nat – Tate wurde am 7. März 1928 geboren, wahrscheinlich in Union Beach, New Jersey.“ Seine Mutter erzählte ihm früh, sein Vater sei „Fischer aus Nantucket gewesen und vor seiner Geburt ertrunken“; vielleicht war er aber auch Tiefseetaucher oder Schiffbauer. Wie auch immer: Nat Tates Biograf, der Schriftsteller William Boyd, führt jedenfalls Tates berühmte „Bridge“-Serie auf diese Erzählungen zurück: „die Brücke als einfache, starke Passage über das brodelnde Wasser“.

Tate gehörte den Expressionisten an, er kannte Picasso, Braque. Im Januar 1960 aber stürzte er sich mit nur 32 Jahren ins eisige Wasser des Hudson. Er wäre noch heute vergessen, hätte nicht William Boyd seine Biografie verfasst, am 1. April 1998 zur großen Hommage an ihn im Atelier von Jeff Koons geladen. Bald war New Yorks Kunstszene einig in der Feststellung, diesen Ausnahmekünstler („dochdoch, ich habe von ihm gehört, irgendwann mal...“) müsse man ganz neu bewerten.

Was daran jetzt bitte lustig sein soll? Nat Tate hat es nie gegeben. William Boyds Biografie ist ein literarisches Schurkenstück, ein einziger Witz auf Kosten der Kunstwelt – und der Beweis, wie viel suggestive Kraft eine gute Erzählung zu entfachen vermag.