Essen. Die New Yorker Indie-Rocker bringen trotz allem am Freitag ihr neues Album „The New Abnormal“ raus. Und es ist in jeder Hinsicht eine Freude.
Vor fast 20 Jahren kamen die Strokes über die Welt, mit ihrem Debütalbum „Is This It“ waren sie die mit Abstand heißeste Rockband der Welt. Keiner weit und breit kam so cool und so lässig rüber wie die Strokes. Damals alle Anfang 20 und aus der Upperclass Manhattans stammend, waren sie für die Nullerjahre leicht abgemildert das, was Nirvana zehn Jahre vorher für die Neunziger waren: Retteten den Rock ’n’ Roll, belebten ihn neu, gaben ihm Kraft. Allen voran Sänger Julian Casablancas, dessen Vater eine Modelagentur leitete, und Gitarrist Albert Hammond Jr., Sohn des „It Never Rains In Southern California“-Albert, die sich in einem Internat am Genfer See angefreundet hatten.
Die Strokes, deren Sound sich von Ikonen wie Iggy Pop, den Ramones, den Talking Heads oder Velvet Underground speiste, waren das Original und sahen im Vergleich zu vielen, die bald ähnlich oder deutlich von ihnen inspiriert klingen sollten, am besten aus. Und sie räumten ab, in Europa noch mehr als in der amerikanischen Heimat, auch wenn sie bei den ersten Konzerten ihr halbstündiges Debütalbum gleich zweimal spielten, weil mehr Songs noch gar nicht da waren. Songs wie „The Modern Age“, „New York City Cops“ oder speziell „Last Nite“ sind heute Klassiker der modernen Rock ’n’ Roll-Kunst.
„Comedown Machine“ war ein Rohrkrepierer
Es war allerdings still geworden um die Strokes, nach immer schwächeren und weniger erfolgreicheren Alben (das letzte, „Comedown Machine“, versandete 2013 in kollektivem Nichthören), nach exzessiv ausgelebten und am Ende doch besiegten Süchten. Hinzu kam ein Hang zu inhaltsleeren Nicht-Interviews und ziemliches, Pardon, Arschlochverhalten der Musiker, sowohl nach außen als auch den Band-Kollegen gegenüber. Getoppt von belanglosen Soloprojekten sowie der dauerhaft im Raum stehenden Frage, ob die Band sich nicht längst getrennt habe.
Aber jetzt ist mit den Strokes wieder voll zu rechnen. Der Titel des neuen Albums „The New Abnormal“ bezieht sich natürlich nicht auf die Jahrhundert-Pandemie, die auch den Strokes und ihren großen Sommerfestivalplänen (unter anderem Roskilde) aktuell ganz schön den Zahn zieht. Die Platte, knackige neun Songs lang, ist ausgezeichnet. Kein „Is This It“, aber so ziemlich die beste seitdem.
Rick Rubin war der Produzent
Der Produzent heißt übrigens Rick Rubin – ein komischer Kauz, aber auch ein Mann für die ganz schweren Fälle und die großen Ereignisalben. Red Hot Chili Peppers, Adele, Johnny Cash – das ist so Rubins Liga. Beim Hören des Albums setzt sofort dieses nostalgisch-wehmütige Wiedererkennen (auch man selbst war fast 20 Jahre jünger, verdammt!) ein, allerdings gekoppelt an Gefühle von Aufbruch, Ungestüm, energische Lebenslust, und, ja: Rausgehen, Feiern, Trinken! Auch wenn ausgerechnet das jetzt gerade zu Unzeit kommt, eigentlich ähnlich wie „Is This It“ wenige Monate vor 9/11.
Das romantisch eingefärbte, dennoch zum Bewegen verleitende, „Selfless“, das discoorientierte „Brooklyn Bridge To Chorus“, die traurige, entfernt an Roxy Music erinnernde „Ode To The Mets“, das vor sich hin pluckernde „The Adults Are Talking“, das von Julian Casablancas im Falsett gesungene „Eternal Summer“ und insbesondere die sehr, sehr flotte, an Billy Idols „Dancing With Myself“ angelehnte Single „Bad Decisions“ – das alles sind Songs, die es verdient haben, in diesem Sommer noch oft gehört zu werden. Und bei denen man jetzt schon unweigerlich denken wird: Wenn das alles hier vorbei ist, dann sollte man dringend mal wieder nach New York fahren.