Pausen sind für Gisbert zu Knyphausen sinnstiftende Zeit. Er fordert das Grundeinkommen als Experiment

„Herzlich willkommen. Schön, dass Du das bist. Hier ist gerade Pause.“ Diese Sätze ploppten noch vor zwei Wochen für denjenigen auf, der die Homepage von Gisbert zu Knyphausen besuchte. Ja ja, der Feingeist, der ist seiner Zeit voraus. Das, zu dem gerade ganz Deutschland gezwungen wird, macht der Musiker schon längst. Und auch immer mal wieder. Und freiwillig: Runterkommen. Innehalten. Durchatmen. Mal bis 100 zählen, ohne dass etwas dazwischen kommt.

Der Grund für die Auszeit stand auch auf der Homepage: Husten. Pause wegen Husten. In diesem Fall kein Corona-Gag, das passt nun überhaupt nicht Gisbert zu Knyphausen, sondern ja, das ist einfach so. Husten ist ein Bandprojekt.

NIchts für Grönemeyer-Fans

Doch wer ist überhaupt Gisbert zu Knyphausen? Sicher einer, der die Nischen bedient. Spartenprogramm. Ein Liedermacher im weitesten Sinne vielleicht, jedenfalls niemand, der den Leuten nach dem Mund textet. Wer Grönemeyer im CD-Regal hat, dem ist zu Knyphausen zu ungemütlich. Der 40-Jährige singt Sachen wie „So ist das Leben, es faucht und schreit und haut Dir eine rein, und Du lachst und trinkst und weinst und kackst und schläfst, und schon ist es vorbei.“ Bittere Beiläufigkeiten im Text sind gepaart mit wunderbar schwelgerischen Melodien. „Traurigkeit ist ein Motor meiner Songs“, sagt der Spross einer Adelsfamilie aus dem Rheingau.

Das Projekt Husten funktioniert anders. Eine Band, bei der Gisbert zu Knyphausen „nur“ singen muss, und nicht auch zusätzlich Gitarre oder Klavier spielt wie sonst. „Sehr punkrockig, auch ein bisschen spackig, im Gegensatz zu meinen Platten nicht so tiefschürfend. Wir wollen eine unterhaltsame, gute Band sein“, versucht der Künstler zu beschreiben. Aber das Projekt stockt. Die ersten Auftritte waren Mitte Mai geplant. „Das wird jetzt wohl erst mal nichts werden.“

Alljährliches Heimspiel mit Tocotronic und anderen

Mit Husten will der Wahl-Berliner auf seiner eigenen Party spielen, beim „Heimspiel“-Festival auf dem Landsitz seiner Familie. Das Spektakel in der Nähe von Wiesbaden gibt es schon etliche Jahre, „und ich bin da so das prominente Aushängeschild, die meiste Arbeit haben eigentlich meine Brüder“, sagt zu Knyphausen. Das „Heimspiel“ ist ein kleines wie feines Festival, das stets wenige Minuten nach Ticket-Freigabe ausverkauft ist. 2000 Leute passen auf den schmucken Hof, der umringt ist von Weinstöcken. Es gibt kein Bier auf dem Gelände, es gibt -- natürlich -- Wein aus eigenem Anbau. Die Menschen benehmen sich gesittet, man ist ja Gast bei einem Baron. Und es gibt gute Musik: Olli Schulz, Element of Crime, Tocotronic und viele andere Indie-Größen war bei den zu Knyphausen schon zu Gast.

Das Festival soll Ende Juli stattfinden. „Es wäre schön, wenn das klappt“, sagt Gisbert zu Knyphausen. „Denn wenn jetzt auch noch die Festivals ausfallen, wird es für viele in der Branche existenziell. Ich kenne so viele, die von Monat zu Monat leben, nicht nur die Künstler, auch die Techniker, die Bühnenbauer, die können keine Rücklagen bilden.“ Von der Politik müsse es nun gute Ideen geben. „Es wäre eigentlich ein super Zeitpunkt, mal das bedingungslose Grundeinkommen auszuprobieren.“

Mit Schubert in der Dusiburger Mercatorhalle

Zu Knyphausen hat noch ein anderes Projekt am Start. Vor kurzem wollte er in der Duisburger Mercatorhalle Texte von Schubert singen. Unterstützt vom Pianisten Kai Schumacher und dem Streichquintett der Duisburger Philharmoniker. Mitte März sollte das mit Spannung erwartete Konzert steigen. Abgesagt wegen Corona. „Eigentlich eine Katastrophe, aber so ist es halt, wir werden das im September nachholen können“, hofft zu Knyphausen.

Gisbert zu Knyphausen sitzt jetzt also wie viele andere auch in der Wohnung. Seine in Berlin ist nicht groß, zwei Zimmer, die reichen. Er hortet dort Gedanken, schon seit vielen Jahren, seine Konserven sind Notizbücher, in denen er Ideen aufschreibt. Er wird in den nächsten Tagen ein bisschen texten, ein bisschen komponieren, vielleicht. Irgendwann soll ja schließlich das nächste Soloalbum heraus kommen. Andererseits: „Mal weniger oder nichts zu machen, ist auch voll in Ordnung.“

Hört mal Bohren und der Club of Gore

Und da er mal in den Niederlanden Musiktherapie studiert hat, fragen wie ihn, ob er exklusive Tipps für die Quarantäne hat. Bohren und der Club of Gore sei perfekt für sowas, sagt er. Das ist eine Band aus Bochum, auch Sparte, ziemlich düster. Dark Jazz. „Das ist gut zum Runterkommen“, sagt zu Knyphausen. Na, wenn er das so meint.

Auf der Homepage zu Knyphausens steht immer noch: „Herzlich willkommen. Schön, dass Du das bist.“ Aber der Satz mit der Pause ist weg. Stattdessen gibt es ein Video von den Schubert-Proben aus Duisburg. Und aufmunternde Worte des Künstlers: „Bleibt positiv und gesund und kümmert euch um die, die jetzt eure Hilfe brauchen. Bis bald!“

Bis bald, Gisbert.