Essen. Horst Eckerts neuer Thriller „Im Namen der Lüge“ entwickelt ein erschreckendes Szenario: Verfassungsschützer auf braunen Pfaden.

In ihren besten Exempeln sind Geheimdienstromane die letzte Chance, der Wirklichkeit, der Wahrheit über sie so nahe wie möglich zu kommen: Manchmal schließen sie rätselhafte Lücken zwischen Indizien durch erfahrungsgesättigte Phantasie zu einer Kette, die fast Beweisqualität, zumindest aber ein Höchstmaß an Wahrscheinlichkeit entwickelt. Die Spannung ist in solchen Spannungsromanen kein Selbstzweck, wie beim Großteil des Genres, sondern Treibriemen im Aufklärungsprozess.

John le Carrés wohlinformierte Spionageromane aus dem Kalten Krieg etwas waren ein hochwirksame Mittel gegen das ebenso verbreitete wie realitätsferne Schwarz-Weiß-Gut-Böse-Denken. Und im Hinblick auf die vielen dunklen Flecken rund um die NSU-Morde ist der achte Fall von Wolfgang Schorlaus Ermittler Wendelin Dengler „Die schützende Hand“ nicht nur exzellent recherchiert, sondern auch besser informiert als die meisten Sachbücher: Schorlau entschied sich, den Verfassungsschutz nicht für einen steindummen Mitwisser der Morde zu halten, sondern für einen Mittäter.

Vincent Che Veih, drei RAF-Rentner und die „Verfassungsschützer“

Dass die damalige Aktenschredderaktion der Schlapphüte, die den Präsidenten Heinz Fromm 2012 das Amt kostete und ihm (ausgerechnet!) Hans-Georg Maaßen nachfolgen ließ, alles andere als ein Versehen war, gehört auch zum Kern des neuen Thrillers von Horst Eckert. „Im Namen der Lüge“ schickt Eckerts altbekannten Ermittler Vincent Che Veih, den Chef des Düsseldorfer Mord-Kommissariats, in ein kaum enden wollendes Kreuzfeuer aus Intrigen, in dem drei Terror-Rentner der RAF, Verfassungsschützer von Bundes- und Landesamt, die Politik bis hoch zum NRW-Ministerpräsidenten und seinem Spannmann im Berliner Kanzleramt, Reichsbürger, Journalisten, Spitzel und V-Leute sowie ein gefälschter Aufruf zur Gründung einer neuen RAF eine Rolle spielen.

Der Showdown ist Eckert ein wenig zu filmreif geraten und das Ausmaß der Durchdringung staatlicher Strukturen mit Rechtsextremisten ein wenig zu braunmalerisch. Aber das Gegen­ein­ander staatlicher Behörden, das manipulative Handeln der vorgeblichen Verfassungsschützer und die kühne Theorie zum politischen Nutzen des letzten RAF-Anschlags auf den Gefängnisbau von Weiterstadt – all das kommt sehr plausibel daher. Seinen Spannungsbogen versteht der Düsseldorfer Autor, der sich von seinen anfänglichen „Bullenopern“ mit Lokalkolorit zum echten Thriller-Autor entwickelt hat, allemal aufzuziehen. Und an dumme Verfassungsschutz-Pannen wird nach diesem Buch auch niemand mehr glauben können.

Horst Eckert: Im Namen der Lüge. Thriller. Heyne, 574 S., 12,99 €.