Essen. Vor 100 Jahren machte der Generalstreik dem Kapp-Putsch nach 100 Stunden ein Ende – es begann der Aufstand der Roten Ruhrarmee, der blutig wurde.

Was sich in diesen Tagen vor 100 Jahren im Ruhrgebiet abspielte, war nicht nur einmalig in der deutschen Geschichte, es trug erheblich dazu bei, die Weichen zum 30. Januar 1933 zu stellen, zur Machtübernahme der Nazis. Das erneute Paktieren der SPD mit Freikorps und reaktionären Reichswehr-Kommandeuren (nach der Niederschlagung des Spartakus-Aufstands im Januar 1919) trieb den Keil in der Arbeiterbewegung noch tiefer.

Am frühen Morgen des 13. März 1920 waren putschende Reichswehrtruppen in Berlin einmarschiert und hatten die Minister der demokratischen Regierung unter SPD-Kanzler Gustav Bauer vertrieben, die nach Stuttgart flohen. Der Erste Weltkrieg war gerade anderthalb Jahre her; die Reichswehr, die einstigen Frontkämpfern eher eine Heimat bot als Fabriken oder Bergwerke, musste in Folge des am 10. Januar 1920 in Kraft getretenen Friedensvertrags von Versailles gezwungen, ihre Stärke von 400.000 auf 100.000 Mann zu reduzieren.

Die Regierung floh nach Stuttgart - und rief den Generalstreik aus

Aus Protest hatten Reichswehr-Truppen unter dem Kommando des Generals Walther Freiherr von Lüttwitz den preußischen Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp zum neuen Reichskanzler proklamiert – der freilich nur 100 Stunden im Amt bleiben sollte. Denn als Reaktion auf den Kapp-Putsch riefen Reichspräsident Friedrich Ebert und die SPD-Minister zum Generalstreik auf – es sollte der erste und einzige Generalstreik auf deutschem Boden werden, der zunächst auch erfolgreich verlief, zumal sich der Deutsche Beamtenbund daran beteiligte, indem er sich weigerte, den Putschisten ihren Sold auszuzahlen.

Am 17. März 1920 flog Wolfgang Kapp nach Schweden; von Lüttwitz der sich daraufhin kurz zum Militärdiktator aufgeschwungen hatte, trat zurück, nachdem er den Rückhalt bei den vom Generalstreik beeindruckten Soldaten verloren hatte.

KPD, USPD und SPD schlossen ein Bündnis gegen den Putsch

Im Ruhrgebiet hatten sich schon am 13. März spontane Demonstrationen gegen den Putsch gebildet, Zehntausende gingen etwa in Bochum auf die Straße. KPD, USPD und SPD schlossen tags darauf in Elberfeld ein Bündnis gegen den Putsch, mit einem gemeinsamen Aufruf zur „Erringung der politischen Macht durch die Diktatur des Proletariats“. Arbeiterräte übernahmen im Revier die Macht wie im November 1918, mit Zentralräten in Essen, Mülheim und Hagen. Das am 23. und 24. März ausgehandelte Bielefelder Abkommen sah eine Kapitulation der „Roten Ruhrarmee“ vor, im Gegenzug sollten im Wesentlichen die Bedingungen erfüllt werden, die von den Gewerkschaften auch in Berlin für die Beendigung des Generalstreiks gestellt wurden, bis hin zur Sozialisierung ganzer Industriezweige wie der Kohleförderung und der Versorgung von Hinterbliebenen der Ruhraufstands-Opfer durch das Reich.

Freikorps und Reichswehr mordeten bestialisch

Hintertrieben wurde das Bielefelder Abkommen von radikalen Kräften in der Ruhrarmee (etwa in Hamborn), vor allem aber von dem in Münster stationierten Generalleutnant Oskar von Watter, der das Bielefelder Abkommen hintertrieb, indem er unerfüllbare Bedingungen für das Tempo bei der Übergabe der Waffen bei der Kapitulation der Roten Ruhrarmee stellte. Aus der Anzahl der nach dem Ende des „Ruhrkampfs“ („Ruhr-Aufstands“) abgegebenen Gewehre schlossen Historiker, dass die Aufständischen im Revier über 50.000 Mann unter Waffen hatten.

Die Folge: Der erneute Aufruf zum Generalstreik wurde von über 300.000 Arbeitern im Revier befolgt. Ende März war es in Arbeiter-Hand. Das nahmen Freikorps und Reichswehr-Einheiten zum Anlass, aus dem Norden, von Hamm, Dorsten und Wesel ins Ruhrgebiet einzumarschieren – zum Teil dieselben Einheiten, die den Kapp-Putsch betrieben hatten. Und die nun im Auftrag der Berliner Zentralregierung „Ruhe und Ordnung“ herstellten, mit zum Teil bestialischen Gemetzeln, die auch vor den Sanitäterinnen und Verletzten der Ruhrarmee nicht Halt machten. Den rund 2000 Toten, den „Märzgefallenen“ wurden allerorten im Revier Denkmäler errichtet, die zum Teil die Nationalsozialisten wieder beseitigten.