Kleve. London, Madrid, Boston, Moskau – Kleve: Das Museum Kurhaus kann stolz sein, die Deutschlandpremiere des britischen Video-Künstlers zu feiern.
Es ist die schiere Überwältigung, ja Überforderung – und es ist hochspannend und unterhaltsam. Dem Museum Kurhaus Kleve ist erneut ein Coup gelungen mit der Präsentation von John Akomfrahs Arbeit „Purple“. In der sonst lichtdurchfluteten Wandelhalle ist alles in tiefem Lila, eben Purple, gehalten, sogar schallschluckender Teppich wurde verlegt: Eine Höhle, in der auf sechs großen Leinwänden gleichzeitig bei überwältigender Tonkulisse die einstündige Videoinstallation „Purple“ gezeigt wird.
Und das Magische daran ist vielleicht, dass es nicht artifiziell, sondern komponiert wirkt, in klassischen fünf Akten und mit kurzen Zwischentiteln, spannend wie ein Blockbuster im Kino – eine Dokumentation des Anthropozäns, des Erdzeitalters, in dem der Mensch die Welt umgestaltet – und nicht unbedingt zu deren Vorteil. Man muss nichts tun – sich nur auf eine der Holzbänke setzen und sich mitreißen lassen von einem Bilderstrom, in dem es um alles geht.
Wollte man Außerirdischen zeigen, was und wie das Leben ist: – dann so. Bei Akomfrah geht es um Leben und Tod, um das Paradies und wie wir es zerstören, um den Rhythmus des Lebens, des Tanzes und der Wellen. Und dabei ist es nicht zuletzt: schön anzuschauen. So banal das klingt.
Akomfrah sieht sich selbst als Filmemacher, unterwegs von Grönland bis Polynesien
John Akomfrah, Londoner mit ghanaischen Wurzeln, bezeichnet sich selbst als Filmemacher und hat diese Arbeit auf sechs Bildschirmen komponiert aus zahlreichen Dokumentationen, aus Nachrichten und Spielfilmen, vieles kommt einem bekannt vor, in allem erkennt man sich wieder. Dazu kommt eigenes Material, das vor allem auf den Südseeinseln der Marquesas, auf Grönland, in Schottland und England entstand.
Dazu gibt es aus vier Kanälen einen überwältigenden Soundtrack mit Stimmen, Musik und Geräuschen. Einige Motive tauchen immer wieder auf: Menschen im Kapuzenshirt in arktischer oder nordischer Landschaft oder unter Hochspannungsleitungen. Zudem wird klar: Das Wasser ist Akomfrahs Element. Oft stehen die Akteure im Wasser, immer wieder regnet es, oft liegen Fotografien von Menschen und Familien im Wasser eines sprudelnden Bachbetts.
Ebenso klar ist, dass es ihm um sauberes Wasser geht, als besonders explizites Beispiel für die Umweltzerstörung. Bilder von Müllverklappung in der Nordsee, von vier Autoreifen in einem schottischen Loch, angeordnet wie ein Auto. Dort, wo man den Fahrer vermuten würde, sitzt ein Mensch auf einem umgedrehten Eimer in der Flut.
Warum „Purple“? Wegen Prince – und der Mischung von Rot und Blau
Aber keine Angst, es ist keine moralingesäuerte Dokumentation, sondern ein Drama, fröhlich, dramatisch und packend, das Drama des Lebens, mit dem der 63-Jährige die Grenzen zwischen Kino und Videokunst sprengt und uns den Klimawandel eben nicht argumentativ oder erzählerisch nahebringt, sondern emotional, durch Überwältigung: Kunst, die das schaffen will, muss ebenso über unsere Vorstellungskraft hinausgehen wie der Klimawandel selbst. Warum Purple? Nun, Akomfrah mag Wasser und mag den Künstlerkollegen Prince – man denke an Purple Rain und wie rotes Blut und blaues Wasser sich mischen...
Nach London, Brüssel, Boston, Venedig, Lissabon, Moskau feiert das Werk nun in Kleve seine Deutschlandpremiere. Gelungen ist dies, weil Museumsleiter Hartmut Kunde schon vor einigen Jahren Kontakt aufnahm, weil ihm Akomfrahs Arbeiten bei einem Besuch in der Tate Modern in London aufgefallen waren. „Nach der Biennale in Venedig wäre uns das sicher nicht mehr gelungen, seitdem wollen ihn alle haben“, freut sich Kunde über den Coup und nennt ihn „den größten, lebenden Künstler“. Kein Widerspruch, man ist eh sprachlos, nach Purple.
Hilfen von Land und Staat ermöglíchen die Ausstellung bis Anfang Juli
Es gab lange Vorgespräche, auch musste das Museum bei der Kunststiftung NRW und der Kulturstiftung des Bundes Geld zusammentrommeln für die Technik und den Umbau, aber es gelang, zumindest eine Arbeit nach Kleve zu holen – eigentlich hätten es drei sein sollen. Auf zwei kleinen Bildschirmen erläutert Akomfrah in kurzen Video-Statements seine Arbeit.
Die offizielle Eröffnung mit dem Künstler fällt Corona zum Opfer, das Museum Kurhaus hat aber wie gewohnt geöffnet. Akomfrahs Arbeit ist bis zum 4. Juli zu sehen, di-so 11 – 17 Uhr, 10 Euro,