Köln. Lag es an Corona oder seiner rechtsradikalen Haltung? Im Palladium spielte Morrissey nur vor wenigen Besuchern.

„It´s not bad“, das ist nicht schlecht, sagt er kurz nach 22 Uhr. Und meint damit die Jubelkaskaden seiner Fans, die keinen Zweifel daran lassen, dass er bei ihnen immer noch gottgleichen Status genießt.

Trotzdem. Trotzdem er nach dem rechtsextremistische Massaker in Norwegen geäußert hat, das sei weniger schlimm als Tiertötung für frittierte Rinderpads und gebackene Hühnerteile. Trotzdem er in einem Interview postulierte, Berlin wäre aufgrund muslimischer Flüchtlinge zur „Vergewaltigungshauptstadt“ Europas avanciert. Und trotzdem er seit zwei Jahren öffentlich die rechtsradikale Partei „For Britain“ unterstützt. Die, die das untolerierbar finden, sieht und hört man nicht. Sie sind nicht da. Montag im Palladium. Bei Morrisseys einzigem Konzert in Deutschland.

22 Stücke und zwei Zugaben in knapp zwei Stunden

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Die Galerien rechts und links bleiben leer. Der Innenraum ist bis zur Mitte nur locker gefüllt. Kann man durch Fernbleiben Meinung kund tun? Oder hat das mit einem Glaubensabfall vom magischen Mozzer gar nichts zu tun? Sondern nimmt eine Ausdünnung des Publikums vorweg, die, als Reaktion auf Corona, künftig allgegenwärtig in deutschen Konzertsälen und Hallen sein wird?

„It wasn`t bad“, es war nicht schlecht. Denkt man hinterher. Nach 22 Stücken und zwei Zugaben in knapp zwei Stunden. Mit drei neuen Stücken vom neuen Album „I Am Not A Dog On A Chain“ (Ich bin kein Hund an der Kette), das noch nicht erschienen ist. Mit drei Stücken von The Smiths, der Band, der der heute 60-jährige Brite seine Ikonisierung verdankt: „How Soon Is Now“, „That Joke Isn’t Funny Anymore“, „Half A Person“.

Morrissey enthält sich weitgehend politischer Statements

Und mit fünf Coverversionen von Künstlern, die dem Mann aus Manchester etwas bedeuten. Da er sich, an diesem Abend, weitgehend politischer Statements enthält („I’m Throwing My Arms Around Paris“ widmet er „unseren Freunden in Paris“, auf der Leinwand wird dazu ein Gelbwestler vor Flammen und Arc de Triomphe gezeigt) ist man versucht, da zu deuten, wo Deutung nicht unbedingt zulässig ist. Weil das Konzert zwar Fragen aufwirft, aber keine Antworten gibt. Etwa die, weshalb ausgerechnet „Munich Air Desaster 1958“ auf der Setliste steht. Das Morrissey-Solostück von 2004, das an ein Flugzeugunglück erinnert, bei dem 32 Menschen ums Leben kamen. Darunter auch acht Fußballspieler von Manchester United.

Die nach historischen Aufnahmen von Spielen namentlich auf der Leinwand eingeblendet werden. Heldengedenken. Zieht man Parallelen? Zum Bombenattentat am 22. Mai 2017? Wo bei einem Ariana Grande-Konzert in Manchester ebenfalls 32 Menschen starben. Und der Täter ein Islamist war. Soll man, darf man, solche Parallelen ziehen?Alles Bullshit. Da schwenkt ein Fan verzückt sein Zweiglein mit Gladiolen, so wie weiland Morrissey als Smiths-Idol. Zwei Jungs in schnieken Anzügen stützen den sichtlich angeschlagenen Dritten in ihrer Mitte und schreien aus heiseren Kehlen „Moz! Moz! Moz!“.

Ein Konzert, das keine guten Gefühle macht

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Ganz hinten in der Ecke links von der Bühne hält ein blasser, blonder Brillenträger das irisch grüne T-Shirt in Händen, auf dem der Chef-Veganer und -Tierschützer umringt von Kuh, Katze & Co im Comic-Stil zu sehen ist. Darunter steht „Hold On To Your Friends“ (Halte zu deinen Freunden). Am Merchandise-Shop kostet es 30 Euro. Der blasse Blonde schmust es wie ein Kuscheltuch.

Die zweite und letzte Zugabe ist „Jack The Ripper“. „You don´t agree, but you don’t refuse“ (Du stimmst nicht zu, aber du weigerst dich auch nicht”) heißt es darin. Wie viele Menschen an diesem Abend Morrisseys kruden Überzeugungen nicht zugestimmt und das durch Verweigerung kundgetan haben, wird man nie erfahren. Ja. Es war nicht schlecht. Aber es macht auch keine guten Gefühle.