Dortmund. Der Punkrock ist zurück am Theater Dortmund. Zum Ende seiner Intendanz lässt Kay Voges Wölfi & Co. noch einmal im Stadttheater aufmarschieren.

Kurz vor Beginn der Vorstellung macht sich die reifere Dame in Reihe 6 grundlegende Gedanken: „Ob Wölfi wieder blank zieht?“ fragt sie ihre Sitznachbarin und fügt etwas gequält lächelnd an: „Sehen muss ich das nicht.“ Die Sorge ist berechtigt, schließlich werden die berüchtigten Selbst-Entblößungen des Sängers Wolfgang „Wölfi“ Wendland bei Konzerten seiner Band „Die Kassierer“ von den Fans immer wieder vehement gefordert, und bisweilen kommt der Maestro den Bitten seiner Jünger nach. Doch keine Bange: Heute bleibt Wölfis Buxe versiegelt, nicht einmal seinen hart trainierten Bierbauch lässt er kreisen. Das ist allerdings fast schon das einzig Lammfromme an einem Theaterabend, der mit satter Lust auf Derbheit und mit einer herzerfrischend fröhlichen Show bestens zu unterhalten versteht.

„Die Kassierer“ im Theater Dortmund - Riesenspaß und Ehre gleichermaßen

Mit „Die Kassierer und Die Drei von der Punkstelle“ sind die Punkrocker zurück am Theater Dortmund. Gegen Ende seiner zehnjährigen Intendanz lässt Kay Voges die „Vier Weisen aus Wattenscheid“ noch einmal aufmarschieren, damit sie gemeinsam mit dem Regie-Duo Andreas Beck und Thorsten Bihegue ein Stück ausknobeln, das so durchgeknallt wie eben möglich werden soll. Und die „Kassierer“ lassen sich nicht zweimal bitten: Ihre berüchtigten Hits wie „Blumenkohl am Pillemann“ und „Sex mit dem Sozialarbeiter“ ins ehrwürdige Stadttheater zu tragen, scheint für sie Riesenspaß und Ehre gleichermaßen zu sein. Da grinst Wölfi nur allzu gern verschlagen in die Runde, während die vielen Fans im Saal text- und trinkfest gemeinsam mit ihren Idolen einen Satz von nahezu philosophischem Scharfsinn skandieren: „Am Schlimmsten ist, wenn das Bier alle ist.“ Da ist was dran!

Bereits vor fünf Jahren funktionierte der erste Zusammenprall zwischen Punk und Theater in Dortmund überraschend gut. „Häuptling Abendwind“, dargeboten in einem Bühnenbild aus Bierkästen, basierte lose auf einer Vorlage von Johann Nestroy. Mit derlei literarischem Klimbim halten sich Beck und Bihegue diesmal nicht weiter auf und schreiben das bisschen Handlung lieber gleich selbst.

Kassierer-Sänger Wölfi: Eine Hand am Mikro, die andere an der Bierpulle

Dabei passt die Story auf einen Bierdeckel und dient eigentlich nur als Ausrede, um einen Kassierer-Song nach dem nächsten über die Rampe zu jagen: schnell, hart und lautstark gespielt von Nikolaj Sonnenscheiße (Gitarre), Volker Kampfgarten (Schlagzeug), Mitch Maestro (Bass) – und natürlich von Sprechsänger Wölfi höchstselbst mit einer Hand am Mikro, der anderen an der Bierpulle.

„Die Kassierer und Die Drei von der Punkstelle“ in DortmundDerweil wird davon berichtet, dass Wölfi vor einem Jahr von der bezaubernden Außerirdischen L.A.I.K.A. (großartig: Caroline Hanke) entführt wurde. Seine abgebrannten Freunde Peggy (Andreas Beck) und Schmuwe (Uwe Schmieder als alternder Sid Vicious) sind in Sorge – bis Wölfi aus der Tiefe des Bühnenbodens unverhofft heimkehrt und plötzlich zu wahren Wundern fähig ist: Er kann ein Pils in mehrere verwandeln. Doch warum schmeckt das heilige Gerstensaft eigentlich wie Plörre? Und was hat Schlagersänger Jens-Guildo damit zu tun?

Fans feiern ihre „Kassierer“ laut und heftig

Die mit erkennbarem Spaß ersonnene Geschichte stört die Abfolge der vielen Krawall-Songs nicht weiter, besitzt aber glücklicherweise so viel Charme, dass sie für launige 90 Minuten locker trägt. Auf einer Leinwand im Hintergrund entdecken die Zuschauer haufenweise Anspielungen und Zitate aus der Bandgeschichte: Darunter Auszüge aus Wendlands satirischer Kochshow „Wolfgangs Internet Imbiss“ und seine (fiktive) Ansprache als Oberbürgermeister von Bochum, der er vor fünf Jahren gerne werden wollte.

Und die Fans? Sie feiern ihre „Kassierer“ laut und heftig, vor lauter Gebrüll aus den hinteren Reihen sind die Schauspieler auf der Bühne oft kaum zu verstehen. Wölfi freut‘s: Sein anarchisches Fest der guten Laune, im Programmheft spitzfindig als „Punk-Operette“ betitelt, kommt bestens an. Zum donnernden Schlussapplaus wird Freibier serviert.

Wieder am 9. und 30. April, 20. und 30. Mai sowie 6. Juni. Karten (9 bis 23 Euro) unter 0231 / 50 27 222 und www.theaterdo.de