Essen. Seit fünf Jahren gibt es „International Music“. Das Trio will mit Relevanz überzeugen – aber vielleicht auch mal die Arena auf Schalke rocken...
Vielleicht muss man aus Heidelberg kommen – oder aus Mainz, um die Poesie des Ruhrgebiets genau hier zu finden: im Bäckereicafé eines Essener Vorortbaumarkts, mit Blick auf Frühjahrsblüher vorm Fenster, Primeln zu 59 Cent, und eine Frittenbude namens „Pommesminister“. „Ich sitze gern beim Bäcker und höre den Leuten zu“, sagt Pedro Goncalves Crescenti, Bassist der Band International Music.
Offenbar finden er, Peter Rubel (Gitarre, Pedros Schulfreund aus Mainz) und Joel Roters (Schlagzeug) im Strom des Gehörten manche Perle fürs Songschreiben. Denn ihre Band „International Music“ bekommt eine hohe Auszeichnung.
„Das ist für uns eine total schöne Sache und wir freuen uns sehr über die Anerkennung und den Deutschen Musikautorenpreis der Gema“, sagt Pedro stellvertretend für die Band.
„Aus mehreren Gründen: Zum einen, nach Berlin zu kommen und das alles mitzuerleben, mit dem roten Teppich und allem was dazu gehört. Dann ist es spannend für uns, die Leute kennenzulernen, die diesen Deutschen Musikautorenpreis verleihen.“
Preisverleihung ist am 12. März 2020 in Berlin – noch
Und Stand jetzt – trotz Corona – findet die Verleihung am 12. März mit rotem Teppich und großem Bahnhof statt. Und – was auch das Virus der Band nicht nehmen könnte: „Zum anderen ist der Preis ja mit 10.000 Euro dotiert, das hilft uns natürlich auch schon mal deutlich weiter. Das Geld wollen wir ganz pragmatisch in einen neuen Tourbus investieren.“
Apropos Musikautorenpreis: Als Autoren sehen sich die drei durchaus. Texte von International Music sind kleine Skizzen eines etwas schrägeren Alltags: „Den Zimmerservice ruf ich heute nicht. Ich weiß ja die kommen sowieso. Und wenn die kommen, dann bin ich vorbereitet. Sitze an der Bar. Leiser Jazz kommt aus den Lautsprechern.“
Kann man das singen? Ja, das können die drei, auch mehrstimmig, irgendwo zwischen Tocotronic und Element of Crime, manchmal mit brachialer Gitarre, vielen sich wiederholenden Elementen. Es geht aber auch eingängiger: Die markanten Textzeilen wie im Song „Cool bleiben“, so ein halber Sommerhit aus 2018.
„Das ist eigentlich mehr aus der Frühzeit übrig geblieben“, sagt Joel, die Bandgeschichte begann 2016. „So eindeutig wollen wir in unseren Texten eigentlich nicht sein.“
Kritiker von International Music nennen große Namen, „Jesus and Mary Chain“ oder „Velvet Underground“, auch das Etikett „Krautrock“ hat man ihnen angepappt. Was allerdings auf textlastige Songs im Knapp-Fünf-Minuten-Takt nicht recht zu passen scheint. Zwischen Krautrock und Kneipe, Lo-Fi im elegant verknautschten Soundgewand – da sind sie zuhause.
Eine Parallele zu Velvet Underground gibt es sogar: Auch hier erlernte der Drummer das Schlagzeugspielen – sagen wir mal – auf dem zweiten Bildungsweg. „Beim ersten Album hatten wir zwei Grooves, die wir dann immer abwechselnd genommen haben“, flachst Pedro. Er und Peter, beide zu Studienzwecken bei Folkwang ins Revier gekommen, trafen Joel beim „Komponisten Kick“ der Folkwängler – und lernten den bildenden Künstler als Drummer an.
Denn vermutlich ist es das: Am nächsten kommt man dem Geist der Band, wenn man sie als Kreativ-Kollektiv sieht, das auch Musik macht. Joel Roters hat als bildender Künstler, sein Atelier ist gleich um die Ecke vom Baumarkt, schon den Dortmunder DEW-Preis gewonnen, wird demnächst im Museum Kunstpalast in Düsseldorf gezeigt.
Zwei Drittel von International Music sind die Hälfte der Düsseldorf Düsterboys
Peter, der Sänger, lässt sich entschuldigen, ist für zwei Monate in Hamburg gebunden, ein Tanzprojekt. Er und Pedro haben mit einem zweiten Bandprojekt ebenfalls aufhorchen lassen: Zwei Drittel von International Music sind die Hälfte der Düsseldorf Düsterboys, so die höhere Mathematik der Musik. Etwas konkreter formuliert:. „Die Düsterboys sind eher reduzierter, bei International Music wollen wir schon richtig laut sein“, sagt Pedro.
Und der googleunfreundliche Bandname? „Wir haben tatsächlich lange überlegt, wie wir uns als Band nennen wollen und irgendwann gefiel uns dieser Name mit seiner Mischung aus Größenwahn und Humor.“ Und dennoch: In einer Nische werden sie sich nicht mehr lange verstecken können. Nach den Preisen und einigen Konzerten als Vorgruppe von „Element of Crime“ steht das gefürchtete zweite Album an.
Und dafür braucht es Raum und Zeit – im Baumarkt, auf dem Bolzplatz, im Kunsthaus, im Studio: „In Essen sein“ ist für die drei Künstler insofern zum Synonym geworden für kreatives Abhängen, Zeit miteinander verbringen, proben und zusehen, wie sich neue Songs entwickeln. Denn was bitte soll kommen, wenn man das erste Album schon „Die besten Jahre“ genannt hat?
Also schrauben sie sich die Erwartungen kleiner: „Meistens haben wir ein Fragment an Text und damit beginnen wir dann.“ Die Songs, sie entstehen gleichsam organisch im Miteinander im Proberaum, ohne Metronom, im leicht schwankenden Rhythmus, mehr Dynamik als Digitales, mehr Baumarkt als Designmöbel.
Zwischen Veltins-Arena und Musikmuschel im Grugapark
Wo wollen sie denn nun eigentlich hin, in Sachen Karriere? „Beim Label Staatsakt veröffentlichen – das wollten wir erreichen“, sagt Joel. Hat geklappt. Die Berliner Plattenfirma sammelt alte und junge deutsche Musiker von Stefan Sulke und Dieter Meyer (Yello) bis „Die Sterne“ und Peter Licht.
Und: „Wir wollen keine Berühmtheit, dass wir im Supermarkt erkannt werden. Wir wollen eher so etwas wie“, Pedro überlegt kurz „Relevanz“. Da nimmt er noch mal Bezug auf den Musikautorenpreis: „Unter anderem ist ja Sven Regener in der Jury, und der ist, was die relevante deutschsprachige Musik angeht, schon eine Größe. Und wenn wir Vorbilder im strengen Sinne hätten: Er wäre eins.“
Und wo wollen sie, sagen wir mal, in fünf Jahren spielen? Pedro deutet halb scherzhaft eine brachiale Bassgeste an. „Die Veltins-Arena rocken.“ Dann aber einigt er sich mit Joel darauf: „Diese Musikmuschel im Grugapark. Das wäre mal eine coole Location für ein Konzert…“ Sie haben wirklich ein Auge für die Poesie des Ruhrgebiets.
>>>Der Musikautorenpreis der GEMA
Der Deutsche Musikautorenpreis der GEMA (steht für: G esellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, soll also dafür sorgen, dass Musikschaffende für den Verkauf von Tonträgern, für Streaming uind Radioeinsätze finanziell entschädigt werden) gilt als einer der renommiertesten deutschen Musikpreise. In der Jury sitzen in diesem Jahr u.a. Element-of-Crime-Frontmann Sven Regener, Liedermacherin Anna Depenbusch und Rapperin Lady Bitch Ray.
Ausgezeichnet werden u.a. Newcomer in ernster und unterhaltender Musik, zudem gibt es einen Preis fürs Lebenswerk und für das erfolgreichste Werk