Dortmund. Mit „Body & Soul. Denken, Fühlen, Zähneputzen“ hat das Ostwall-Museum seine Sammlung neu aufpoliert: 137 Werke, spiegelfreier Boden, Sitzkissen.
Die U-Bahn-Haltestelle zum Museum Ostwall heißt Westentor, und schon diese verkorkste Verortung spricht Bände: So recht ist das Museum, das die Dortmunder Bürger nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Trümmern des alten Museums für Kunst und Kulturgeschichten aus eigener Initiative aufbauten, in seiner neuen Heimat nie angekommen. Seit es im Kulturhauptstadtjahr 2010 in den U-Turm ziehen musste, um den Horror der Leere aus dem neuen, mehr als 80 Millionen Euro Um- und Ausbaukosten verschlingenden Renommierprojekt zu vertreiben, wurde das Museum mit seiner Sammlung aus expressionistischer, informeller und Fluxus-Kunst auf die vierte und die fünfte Etage des einstigen Brauerei-Turms verteilt.
Edwin Jacobs ging nach dem Debakel mit der Pink-Floyd-Ausstellung
Der U-Turm hat auch zehn Jahre nach der Einweihung noch kein echtes Profil entwickelt. Was auch zu tun haben könnte mit der Misch-Nutzung durch Fachhochschule und TH Dortmund, RWE Forum und Kino, Medienkunstverein und kultureller Bildung mit „E-Sports“, „Upcycling-Nähwerk-statt“ oder „Soundworkshop“.
Der mit großem Vorschusslorbeer 2017 installierte U-Turm-Intendant Edwin Jacobs suchte wieder das Weite, kaum dass er zweieinhalb Jahre im Amt war. Nicht zuletzt wegen des Debakels mit der Pink-Floyd-Ausstellung „Their Mortal Remains“, zu der (bei 30 Euro Eintritt) nur 60.000 Besucher statt der zur Kostendeckung nötigen 120.000 kamen.
Gummistiefel und Spaten – die Besucher dürfen graben
Seit Ende 2014 versuchte das Museum Ostwall unter dem Motto „Sammlung in Bewegung“, die Öffentlichkeit mit immer neuen Arrangements der hauseigenen Kunst von deren Schauwert zu überzeugen. Und doch blieben die Besucherzahlen an vielen Tagen zweistellig, selbst wenn man die Besuche der ständigen und der Wechsel-Ausstellungen zusammenzählte.
Ob es an den zu kleinen, zu hohen Räumen lag? Jedenfalls hat man das Museum in den letzten Monaten gründlich umgebaut, der Eingang wurde in die 5. Etage verlegt, vor allem aber sehr viel einladender in die Mitte des Treppenhauses; der reflektierende Fußboden wurde durch einen weniger störenden ersetzt, es gibt hellere und wärmere Farben. Mit Teppichen, Kissen und Sitzsäcken soll die „Aufenthaltsqualität“ noch weiter gesteigert werden.
Picasso, Beuys, Jawlensky, Kirchner, Macke und Dieter Roth
Und auch die eigene Sammlung hat deren Leiterin Nicole Grothe neu arrangiert. Mit dem Titel „Body & Soul. Denken, Fühlen, Zähneputzen“ und kostenlosem Eintritt sollen sich alle angesprochen fühlen, die über Leib, Seele und Zahnbürste verfügen. Immerhin lassen sich auf diese Weise 137 Werke schlüssig arrangieren, die Picassos, die Skulpturen des Dortmunder Expressionisten Bernhard Hoetger, drei Silikonbäuche eines unbekannten Künstlers, der Filzanzug eines Joseph Beuys, all die Nolde-, Kirchner- und Jawlensky- Gemälde. Und Mackes gern gezeigtes Schlüsselwerk „Großer zoologischer Garten“ obendrauf, weil ja auch Tiere Körper haben, selbst der „Karnickelköttelkarnickel (Scheißhase)“ von Sammlungs-Schwergewicht Dieter Roth.
Die Dauerschau, die zwei Jahre bleiben soll, ist in neun Kapitel gegliedert und durchweg nachvollziehbar zugeordnet wie etwa Karl Hofers (1922) zarte Tanz-Steinzeichnungen, Fernand Légers „Tänzerinnen“ (1953) und die DJ-Bilder von Barbara Hlali (2004). Thomas Bayrles titelstiftende Installation „SuperColgate“ kann mit einem Fußdruck zum dutzendfachen, hochkomischen Zähneputzen bewegt werden (braucht aber dann zwei Minuten Ruhepause).
Thomas Bayrle, Wolf Vostell und ein „Quintenzirkel“ zum Hinsetzen
Und auch bei der Klanginstallation „Quintenzirkel“, einem raumgroßen Sitzkreis aus grünen Glas-Mosaiken, ist Mitwirken gefragt: Beim Hinsetzen ertönt ein Klang, der ab drei Besuchern auch zum gemeinschaftsstiftenden Akkord werden kann. Apropos: In Wolf Vostells Happening „Umgraben“ können Besucherinnen und Besucher (die hier prinzipiell geduzt werden) Gummistiefel anlegen und zum Spaten greifen, um Verdrängtes wieder freizulegen – die Klänge des Grabens werden per Mikrophon übertragen.
Zu alledem gibt es, gleichfalls kostenlos, einen handlichen Kurzführer. Bliebe nur noch die zu kleine, oft zu dunkle Beschriftung der Werke zu überarbeiten. Und vielleicht kommt mit der nächsten ständigen Präsentation ab März 2022 dann auch wieder der Informel-Schwerpunkt der Sammlung zur Geltung, der angesichts des niederschwellig gedachten „Körper & Seele“-Leitmotivs notwendiger Weise außen vor bleiben muss.