Düsseldorf. Lotte de Beer konzentriert sich im Regiedebüt für die Düsseldorfer Rheinoper aufs Seelische – und zeigt Händels „Alcina“ als Arienkonzert.
Im für ihn besonders erfolgreichen Opernjahr 1735 stand Georg Friedrich Händel auf der Höhe seines Ruhms und seiner Schaffenskraft. An psychologischer Feinarbeit nimmt die in jenem Jahr entstandene Ballett- und Zauberoper „Alcina“ einen Höhepunkt im Gesamtwerk seiner 42 Opern ein. Lotte de Beer konzentriert sich in ihrer ersten Regiearbeit für die Deutsche Oper am Rhein, völlig legitim, auf die seelischen Konflikte der Figuren. Leider nicht durchweg konsequent und einleuchtend, so dass die auf ein dreistündiges Arienkonzert komprimierte Produktion immer wieder an Spannung verliert.
Auf Balletteinlagen, die ohnehin kleine Chorpartie und plakativen magischen Bühnenzauber kann man bei diesem Stück zwar gut und gern verzichten. Allerdings bringt es nicht viel, wenn stattdessen als junge und alte Kopien der Titelheldin kostümierte Statisten über die Bühne wieseln und für Verwirrung sorgen. Und wenn sich die Regisseurin von den Wiederholungen der da-capo-Arien in ratlose Verlegenheit bringen lässt, werden die Arien zu Bremsklötzen der Handlung anstatt zu Katalysatoren.
Generalmusikdirektor Axel Kober kann die Defizite musikalisch nicht auffangen
Und Generalmusikdirektor Axel Kober ist, ungeachtet der hohen Qualität der „Neuen Düsseldorfer Hofmusik“, nicht in der Lage, die szenischen Defizite musikalisch aufzufangen. Er pflegt einen kultivierten, historisch orientierten, aber zu gleichförmigen Musizierstil mit breit und bisweilen lähmend phrasierten Legato-Bögen. Dabei bedarf gerade dieses Stück einer rhetorisch extrem flexiblen und wandlungsfähigen Umsetzung, um die filigranen Feinheiten der Musik effektiv zum Ausdruck kommen zu lassen. Von den fantasielos gestalteten Rezitativen ganz zu schweigen.
Alcina auf ihrer Zauberinsel, in der sie mit ihren magischen Kräften Männer in Pflanzen und Tiere verwandelt: Diese Episode aus Ariosts „Orlando furioso“ versetzen die Regisseurin und ihr Bühnenbildner Christof Hetzer auf eine mondäne, chic gestylte mediterrane Urlaubsinsel, die sich im Laufe des Stücks in ein Säulenlabyrinth zerfällt. Das entspricht durchaus der Entwicklung der mächtigen Zauberin, die letztlich ihre Machtlosigkeit erkennen muss und als tragische Verliererin hervorgeht. Mit dem Fazit: Mit List, Gewalt und Magie lassen sich Menschen zwar fesseln und zu willenlosen Werkzeugen formen, aber nicht zu aufrecht liebenden Partnern.
Jacquelyn Wagner bringt Alcinas Klagegesänge mit Intensität zum Klingen
Händel kleidet diesen Verfallprozess der „Heldin“ in immer dunkler gefärbte Klagegesänge, die Jacquelyn Wagner mit überzeugender Intensität zum Klingen bringt. Alcinas Krise setzt Bradamante in Gang, die, als Mann verkleidet, ihren Geliebten Ruggiero den Fängen der Zauberin entreißen will. So sehr Alcina im Verlauf der Oper verfällt, so sehr wächst die Energie Bradamantes, die Wallis Giunta mit ihrer kraftvollen, aber präzise und in den Koloraturen absolut sicher ansprechenden Stimme einbringt.
Auf eine Besetzung Ruggieros mit einem Countertenor oder –sopran hat man verzichtet und die Rolle der Mezzosopranistin Maria Kataeva anvertraut. Angesichts der weiblichen Übermacht geht der Besetzung dadurch ein markanter klanglicher Kontrast verloren, was aber nichts an der adäquaten Leistung der Sängerin ändert. Mit dem rundum hohen vokalen Niveau der Produktion unterstreicht die Rheinoper ihre vorbildliche Ensemblepflege, auch wenn kurzfristig Shira Patchornik von der Wiesbadener Oper für ihre erkrankte Kollegin einspringen musste. Und das tat sie in der koketten Partie Morganas, der Schwester Alcinas, mit beeindruckender Souveränität.
Drei Stunden psychologisches Theater in gediegener szenischer Qualität
Singende Männer haben in dieser Produktion nicht allzu viel zu sagen. Gleichwohl runden Andrés Sulbarán (Oronte) und Benjamin Pop als Melisso die Gesamtleistung nahtlos ab. Und ein Sonderlob verdient Maria Carla Pino Cury, wie Sulbarán noch Mitglied des Opernstudios, für ihre perfekte Darstellung des Knaben Oberto.
Drei Stunden psychologisches Theater in gediegener szenischer Qualität unter nur bedingt zündender musikalischer Leitung. Trotz des erfreulichen vokalen Niveaus fällt die Deutsche Oper am Rhein damit hinter eigenen Barock-Produktionen wie etwa Händels „Xerxes“ mit dem erheblich spannungsreicher agierenden Dirigenten Konrad Junghänel zurück.
Die nächsten Aufführungen im Düsseldorfer Opernhaus: am am 19., 22., 26. und 28. Februar sowie am 1. März. Infos: www.rheinoper.de.