Hagen. Die Katholiken in Südwestfalen kennen Kardinal Reinhard Marx als freundlichen klugen Mann. Sein Rückzug dürfte schwerwiegende Folgen haben.

Jüngere Leute sollen an die Reihe kommen, so begründet Kardinal Reinhard Marx, warum er sich nicht mehr als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz zur Wahl stellt. Dabei gilt der 66-Jährige als junger Mann unter den hohen katholischen Würdenträgern, war sogar das jüngste Mitglied des weltweiten Kardinalskollegiums, bis 2013 der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki (63) ebenfalls zum Kardinal kreiert wurde. In seiner Zeit als Weihbischof von Paderborn hat der gebürtige Geseker unzählige junge Menschen zwischen Winterberg-Züschen und Hagen-Boele gefirmt, er ist als freundlicher und kluger Mann allen im Gedächtnis geblieben, denen er begegnete.

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Marx galt damals nicht explizit als Reformer, eher als einer der Vernünftigen, der Bodenständigen unter den hohen Kirchenfürsten, ein Sauerländer eben. Mit seiner Ernennung zum Erzbischof von München und Freising 2007 schien eine große Karriere sich zu vollenden, zumal Marx auch in Rom einen guten Stand hatte; Kirchenkenner halten den Westfalen sogar für papabel. Marx, der Sohn eines Schlossermeisters, der sein Leben lang IG-Metallmitglied war, ist heute noch Mitglied bei den St. Sebastianus Schützen in Geseke.

Große Aufgaben in Rom

Papst Franziskus berief ihn im April 2013 als ein Mitglied des Kardinalsrates, der den Papst bei der Leitung der Weltkirche beraten und im Hinblick auf eine Reform der Kurie Änderungen vorbereiten soll. Die Zeitschrift Herder-Korrespondenz schrieb im Oktober, dass Marx im Rahmen eben dieser Kurienreform als Präfekt des vatikanischen Wirtschaftsrates möglicherweise „die Funktion des Camerlengo zufallen“ könnte, „der offiziell den Tod des alten Papstes beurkundet und bei Sedisvakanz die Besitztümer des Apostolischen Stuhls verwaltet“. Wenig zu tun hat der Kardinal also nicht, wenn er künftig nicht mehr Vorsitzender der Bischofskonferenz ist. Die Reformen in seinem Erzbistum erfordern viel Aufmerksamkeit, und die Aufgaben in Rom dürften eher wachsen, dort brennt es ja auch. Dennoch liefert der Verzicht auf eine weitere Amtszeit an der Spitze der deutschen Bischöfe viel Raum für Spekulationen. Denn der Vorsitzende der Bischofskonferenz gibt die Richtung vor.

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Heute wird Kardinal Marx den gemäßigten Reformern zugerechnet, weil für ihn feststeht, dass den Problemen der deutschen katholischen Kirche nur mit Veränderungen beikommen sein wird. Probleme gibt es genug: sexueller Missbrauch, Priestermangel, Massenaustritte von Gläubigen. Doch Marx, der frühere Vikar in Menden und Leiter der Kommende Dortmund, warnt davor, die deutschen Katholiken in zwei Lagern zu polarisieren, den Reformern hier und den Traditionalisten dort. Der Kardinal ist aus tiefer Überzeugung ein Motor des Synodalen Weges, aber er hat stets versucht, die Gesamtheit der Bischöfe in den Dialog einzubeziehen.

Machtkämpfe mit Kardinal Woelki

Das funktioniert nicht reibungslos; Machtkämpfe, vor allem mit dem Kölner Kardinal Woekli, haben seine Arbeit begleitet. Nur ein Beispiel: Marx will mit weiteren Amtsbrüdern evangelische Christen in konfessionsverbindenden Ehen zur Kommunion zulassen. Woelki sieht dadurch das Allerheiligste entweiht und wendet sich direkt an den Papst.

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Franziskus gibt Woelki Recht und pfeift Marx zurück, düpiert ihn, wie Beobachter seinerzeit im Juni 2018 anmerken. Dieser Autoritätsverlust und auch die intrigante Art, wie der Konflikt ausgetragen wurde, müssen Marx schwer getroffen haben. Vielleicht hat er damals bereits überlegt, in der Bischofskonferenz aus dem Ring zu steigen. Zumal seit dem Beginn des Synodalen Weges die heimlichen Anrufe der Konservativen in Rom eher noch zugenommen haben. Für den gerade gestarteten Synodalen Weg will sich Marx in jedem Fall weiter engagieren.

Wer wird Nachfolger

Woelki wäre ein möglicher Nachfolger an der Spitze der Bischofskonferenz. Aber ob der Kölner nicht nur die Mit-Bischöfe unter einen Hut, sondern auch die reformwilligen Schäfchen zur Raison bringen kann, darf bezweifelt werden. Eher steht zu befürchten, dass er in allerbester Absicht die Gräben noch weiter aufreißt. Aber auch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck hat sich längst für große Aufgaben qualifiziert. Overbeck ist erst 55 Jahre alt.