Bottrop. Bilder vom Wandel im Ruhrgebiet: Das Bottroper Museum Quadrat präsentiert in einer neuen Ausstellung Laurenz Berges’ Foto-Serie „4100 Duisburg“.

Als Laurenz Berges im Vorfeld der Kulturhauptstadt 2010 gebeten wurde, sein Objektiv für die Ausstellung „Ruhr Blicke“ doch einmal aufs Revier zu richten, hat er sich verzettelt. „Zu vielfältig“ erschien dem Fotografen, der an der Folkwang-Hochschule Fotografie studierte, bevor er erst Assistent der New Yorker Großformatkamera-Göttin Evelyn Hofer und dann Meisterschüler von Bernd Becher an der Düsseldorfer Akademie wurde. Längst hat Berges eine ureigene Bildsprache entwickelt in Serien von Orten, die leise das Verlassensein ausatmen: Geräumte Dörfer im Rheinischen Braunkohle-Revier („Etzweiler“), aufgegebene Kasernen der Roten Armee im Gebiet der ehemaligen DDR oder die Ränder seiner Heimatstadt Cloppenburg.

Erst als sich der heute in Düsseldorf lebende Fotograf auf Duisburg fokussierte, hatte er einen roten Faden für seine pastellfarbenen, von Tönen des allmählichen Verschwindens und der Entkräftung gezeichneten Bilder gefunden: „Duisburg“, sinniert Berges, „hat vielleicht von allen Städten des Ruhrgebiets am meisten Charakter, am meisten eigenes Profil.“

„4100 Duisburg. Das letzte Jahrhundert“ zeigt dem Untergang Geweihtes

„Alt-Homberg“, 2017
„Alt-Homberg“, 2017 © laurenz berges

Auch in Duisburg ging es Berges darum, etwas dem Untergang Geweihtes im Moment seines Verschwindens festzuhalten. Deshalb bekam seine Serie, die nun im Bottroper Museum Quadrat zu sehen ist, den Titel „4100 Duisburg. Das letzte Jahrhundert“. Und in der Tat scheint die Zeit stillzustehen auf diesen Bildern voller Leere und Verlassenheit. Ewig alte Spinnweben umranken die ehemals weiße Lampe eines ehemals weißen Hauseingangs; über einer Front von Garagen, die schon etliche Jahre kein Auto mehr gesehen haben, gibt die untergehende Sonne den Bäumen einen gelb glänzenden Rand; und die Adresse „Kaiser-Wilhelm-Straße Nr. 391“ klingt nach Großstadt – der Hauseingang aber zeugt von vergangener Größe und Herrlichkeit, das Sepiabraun der klassizistischen Fassade kontrastiert mit dem Blau eines Mosaiks, das wie ein blasser Abklatsch der Hausnummer wirkt. Und über allem der Staub, der Ruß von Jahrzehnten. Er zeugt von dem, was Laurenz Berges an dieser Stelle gerade nicht fotografiert hat, obwohl es einen pittoresken Kontrast zum verlassenen Haus ergeben hätte: Die immer noch qualmenden, horizontverdunkelnden Hochöfen dahinter.

Bröckelnder Hafen und mächtiger Rhein

Laurenz Berges (54) hat den bröckelnden Hafen und den mächtigen Rhein fotografiert, liebevolle Fassadendetails und die Steinbank in Alt-Wedau, die einmal voller Gastlichkeit war und nun an beiden Enden bröselt. Den berühmten Matena-Tunnel – und was man am anderen Ende noch sieht von dem einstigen Fischerdorf Alsum, von dem nach dem Zweiten Weltkrieg nur ein zusammengeschobener Schuttberg blieb. Der Ton dieser oft pastellfarbenen, stets bei natürlichem (Rest-)Licht fotografierten Szenen ist die Melancholie, die um die Vergeblichkeit ihrer Wehmut weiß. Und manchmal, wie beim Essigbaum mit seinen orangefarben leuchtenden Blätter, mischt sich ein Hauch von Hoffnung in diese Bilder der Leere und der Stille. Oder der grüne Dschungel, der rund um „Herrn Scholz“ wächst, einen der wenigen Menschen auf Berges’ Bildern: Da macht sich die Natur über Schwundstufen einstigen Wohlstands her, und am Ende: über die Geschichte.

Laurenz Berges: „4100 Duisburg. Das letzte Jahrhundert“. Museum Quadrat, Im Stadtgarten 20. Bis 3. Mai. Geöffnet: Di-Sa 11-17 Uhr, So 10-17 Uhr. Eintritt: 8 Euro, erm. 6 Euro. Katalog: 166 S., 48 Euro. Führungen: 16. Februar, 1., 15. und 29. März, 19. April, 3. Mai, jew. 15 Uhr .