Essen. Ist Wetter kriegsentscheidend, fördert Glatteis die Hexenjagd? Sebastian Jutzi erklärt „Wie Natur der Geschichte macht“ - nicht sehr überzeugend.

Manche Laune der Natur ist zu verführerisch, um sie nicht mindestens Filmgeschichte schreiben zu lassen. Wäre es am 20. Juli 1944 nicht so brütend heiß in Ostpreußen gewesen, wären Hitler und die Seinen nicht kurzfristig in ein Nebengebäude der Wolfsschanze umgezogen: Stauffenbergs Bombe hätte ihr eigentliches Ziel nicht verfehlt.

Das stimmt nicht, sagen Historiker. Schade. Sonst wäre die von Hollywood in „Operation Walküre“ verewigte Szene jene Sorte Großereignis, die in einem Buch mit dem Untertitel „Wie Natur Geschichte macht“ trefflich untergebracht gewesen. Sebastian Jutzi, studierter Biologe und Wissenschaftsredakteur, legt mit „Als ein Virus Napoleon besiegte“ den Versuch vor, Stürme, Lava, Pestilenzen und brutalen Frost als Movens für historische Wendepunkte aufzufächern.

Sebastian Jutzi erzählt anschaulich historische Ereignisse - die Kausalitäten zwischen Natur und Geschichte bleiben bemüht

Ein eher windiges Buch, um im Bild zu bleiben. Dass der Autor selbst im Vorwort die Feststellung „dass die Macht der Natur auch unsere Geschichte prägt, trivial“ nennt, ist leider ein Orakel für den Großteil der gut 50 Beispiele, die er – im Stil eines soliden „Zeitzeichen“-Beitrags – auffächert.

Es ehrt Jutzis Seriosität, dass er dem Leser nichts vorgaukelt, dass er – anders als der Untertitel es suggeriert – kein Thesenritter ist. Gleichwohl nimmt er in vielen seiner Beispiele, deren naturwissenschaftlichen Hintergrund er sauber erläutert, damit der Sache den Wind aus den Segeln. „Verhängnisvoller Mond“ titelt Jutzi seine Chronik vom Heerführer Nikias und dem wendungsreichen Peloponnesischen Krieg. Fünf Seiten beschreibt er Gefechte, Strategien, klinkt eine (gut gemachte) Grafik über das Phänomen der Mondfinsternis ein. Die soll den Feldherrn, der unterlag und damit den „Anfang vom Ende“ der Vorherrschaft Griechenlands verkörpert, verzögert zur entscheidenden Schlacht haben schreiten lassen. Aber dann, am Ende, der Satz: „Ob die Geschichte ohne Mondfinsternis eine andere Wendung genommen hätte, bleibt Spekulation.“

Mitunter fällt es schwer zu verstehen, welche Botschaft oder Erkenntnis der Autor eigentlich vermitteln will: Dass („Glaubensfundament aus Sand“) die Wüstenhitze Ägyptens und hungrige Schakale die Tradition der Mumifizierung samt Sarkophag und Pyramide befeuert haben? Klar, ergibt sich im ewigen Eis diese Notwendigkeit nicht. Dass eine Naturkatastrophe wie ein Vulkanausbruch zeitverzögert ein Paradies wie den Yosemite-Nationalpark ermöglicht? So what? Dass Papier eben da entstand, wo eben Papyrus greifbar war. Liegt auf der Hand.

Im Nebel der Geschichte verliert man nicht nur die Schlacht bei Lützen - mitunter auch den Überblick

Das historische Ereignis an sich beleuchtet Jutzi kundig und anschaulich, sei es die Schlacht bei Lützen, wo Nebel (und eine vergessene Brille?!) Gustav Adolfs Ende besiegelt haben sollen oder den Tod des englischen Königs Heinrich I. – der Fisch „Neunauge“ soll die Ursache gewesen sein.

Als überragender Stilist wird der Autor schwerlich in die Geschichte eingehen. Sätze wie „Zu allem Überfluss verloren auch noch ungezählte Menschen ihr Leben“ steuern (in einem Text über das „Magdalenenhochwasser“ von 1342) Komik der unfreiwilligeren Art bei.

Sebastian Jutzi: Als ein Virus Napoleon besiegte. Hirzel, 237 S., 19,80 €