Essen. Der exzentrische US-Regisseur Terrence Malick verfilmte den Fall eines österreichischen Bauern, der einsamen Widerstand gegen Hitler leistete:.

Ein Paar liegt zusammen auf einer Bergwiese. In seinen Armen fühlt sie sich geborgen. Seine Lippen berühren sanft ihre Stirn. Sein nachdenklicher Blick aber gilt nicht ihr. Er geht vielmehr nach oben, gen Himmel, als erwarte er sich von dort Antworten. Oder Beistand. Die blassgrauen Wolken spiegeln seine von Schwermut verdüsterte Stimmung. Sie deuten eine Verbindung an, einen Gleichklang zwischen dem Bauern und seiner Welt.

Hingerichtet wegen „Wehrkraftzersetzung“: Franz Jägerstätter

„Ein verborgenes Leben“ „Ein verborgenes Leben“, Terrence Malicks Annäherung an die Geschichte des oberösterreichischen Bauern Franz Jägerstätter, der am 6. Juli 1943 in Berlin wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt und am 9. August 1943 hingerichtet wurde, beginnt mit kurzen Ausschnitten aus Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“. Das mörderische, die Menschen in eine blindlings marschierende Masse verwandelnde System der Nationalsozialisten ist von Anfang an präsent. Ihm setzt Malick das Leben in dem Bergdorf St. Radegund entgegen.

1940 herrscht zwar schon Krieg, aber für den von August Diehl gespielten Franz und seine Frau Fani (Valerie Pachner) geht noch alles seinen gewohnten Gang. Die Jahreszeiten bestimmen den Rhythmus ihres Lebens, das etwas Idyllisches hat. So wie Malick die beiden bei der Arbeit auf dem Feld und in der Scheune zeigt, deutet sich eine verblüffende Sicht auf die Welt an. Franz und Fani sind Adam und Eva, die niemals aus dem Garten Eden vertrieben wurden. Die Geschichte aus dem ersten Buch Moses ist nur eine Illusion.

August Diehl spielt sanft und stark

Doch die Ideologie der Nationalsozialisten setzt sich auch in den Köpfen der Menschen in St. Radegund fest. Schließlich wird Franz zum Militär einberufen. Als er seinen Marschbefehl erhält, verweigert der tiefgläubige Katholik den Wehrdienst und wird verhaftet.

Wie die christlichen Märtyrer steht auch Franz zu seinen Prinzipien. Selbst als der Bischof versucht, ihn davon zu überzeugen, dass der Mensch auch eine Verpflichtung gegenüber seinem Vaterland hat, beharrt er darauf, dass er nur Gott und seinem Glauben verpflichtet ist. Die Sanftheit, die in August Diehls Auftreten liegt, zeugt von Stärke, die größer ist als die rohe Gewalt des Staates und seiner Institutionen. Franz erlebt körperliche Misshandlungen und psychologischen Druck. Er wird von den Schergen des Regimes isoliert und zerstört. Aber er bricht nicht. Nicht einmal die Zweifel seiner Frau Fani, der Franz’ Leben wichtiger ist als jede Überzeugung, können ihn aufhalten.

Auf verlorenem Posten

Franz Jägerstätter steht auf verlorenem Posten. Aber in Terrence Ma­licks Augen ist er niemals allein. Er und auch alle anderen Menschen sind Teil eines größeren, eines höheren Gefüges, das seinen Ausdruck in der Natur, im Zug der Wolken, in der Bewegung des sich im Wind wiegenden Grases findet. Das hat dem amerikanischen Filmemacher den Ruf eines Mystikers und Esoterikers eingetragen. Natürlich ist dieses von Transzendenz träumende Kino eine Zumutung. Man muss sich vielleicht auch ein wenig gegen die Religiosität der Bilder auflehnen, die in jedem Phänomen der Natur das Göttliche sehen. Wie Franz Jägerstätter leistet auch Terrence Malick Widerstand. Seine Kunst zwingt einen, anders auf die Welt zu blicken. Dabei geht es aber nicht darum, diesen Blick zu übernehmen. Es reicht, ihn für die Dauer des Films zu teilen.

Der 1943 in Illinois geborene Terrence Malick war lange der geheimnisvollste US- Filmemacher. Schon sein Debüt von 1973, der Spätwestern „Badlands“, machte ihn zu einer Legende.

In der Zeit von 1973 bis 2005 hat er nur drei weitere Filme gedreht, „In der Glut des Südens“ (1978), „Der schmale Grat“ (1998) und „The New World“ (2005). Jede dieser Arbeiten hat seinen Ruf als Solitär gefestigt.

Die fünf Spielfilme, die er seit 2010 herausgebrachte, gehen in ihrer Darstellung der Menschen und der Natur so radikal andere Wege, dass er zu einem der umstrittensten Filmemacher der Kinogeschichte wurde.