Düsseldorf. Star-Tenor Jonas Kaufmann wagte in der Düsseldorfer Tonhalle einen problematischen Ausflug ins Operettenfach. Stellenweise mühte er sich ab.
Klar, Jonas Kaufmann wurde auch in der ausverkauften Düsseldorfer Tonhalle bejubelt. Wie zuvor in Brüssel, Paris, Hamburg, Wien, München, oder Berlin. Auch wenn er nicht in seinem Hauptberuf – dem schweren Wagner- und Verdi-Fach – auftrat, sondern als Operetten-Tenor. 2019 brachte er mit den Wiener Philharmonikern unter Adam Fischer die CD „Wien“ heraus, die schnell an der Spitze der Klassik-Charts gelandet ist.
Unterstützt wird die Hommage an die ‚Traumstadt Wien’ von einer Tournee, die ihn jetzt in die Landeshauptstadt, der einzigen Station in NRW, führte. Er kam mit den schönen alten Sachen – Liedern, Schnulzen, Arien und Duetten von Johann Strauß Sohn, Emmerich Kálmán und Franz Lehár.
Kaufmann wird als bestbezahlter Tenor der Welt gehandelt
Doch kann ein Jonas Kaufmann, der immer noch als bestbezahlter Tenor der Welt gehandelt wird, so einfach das Fach wechseln? Er gönnt damit seinen Stimmbändern mal eine Pause, sagte er kürzlich. Mit gerade 50 hat der sympathische Sänger – früher ein Opern-Latin-Lover, der heute auch mit den Kilos zu kämpfen hat – den Zenit seiner Karriere längst erreicht, wenn nicht überschritten. Das weiß man, seitdem er Opern-Termine in großen Häusern wegen ‚Indispositionen’ absagen musste.
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Selbst dieses Operetten-Konzert vor zehn Tagen in Nürnberg wurde gecancelt – wegen einer Erkältung, die für Stimmbänder von Tenören ja besonders gefährlich sein kann. Egal. Kaufmann, diesmal mit der schmissigen Prag Philharmonie und der südafrikanischen Sopranistin Johanni von Oostrum, kam, sang und wurde gefeiert. Zwar bediente er sich des Mikrofons und kleiner Lautsprecher-Verstärkung. Um, wie er dem Publikum sagt, die Schlager besser rüberzubringen. Erstaunlich bei dem Stimmvolumen, das Kaufmann noch hat. Doch die Fans freuten sich, dass ihr Star den Abend gut überstand. Und zum Schluss mit fünf Zugaben – wie „Heut ist der schönste Tag“ – dankte.
Johanni van Oostrum erhält stärken Applaus als Jonas Kaufmann
Hier fühlte er sich von der Last der hohen Töne befreit, streut a bissel Wiener Dialekt hinein und bringt die intime wienerische Atmosphäre gut über die Rampe. Zurück zum Fachwechsel. Viele unkten vorher, der in Bayreuth gestählte Heldentenor könnte mit seiner kraftbetonten Gesangstechnik die zart fließenden Strauß- und Lehár-Arien (u.a. aus der „Lustigen Witwe“) zertrümmern.
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Die Gefahr bestand nicht, denn der gebürtige Münchener wirkte, wie schon Tage zuvor in Hamburg, von Anfang abgekämpft. Zehn Konzerte in gut drei Wochen. Das ist selbst für Kämpfer wie Kaufmann kein Pappenstiel. Mit Wagner, Verdi oder Puccini hätten er und seine Stimme das kaum überstanden. Einige Nummern laufen gut an. In „Ach wie so herrlich zu schau’n“ (aus ‚Nacht in Venedig’) tippt er die Höhen kurz an, sie wirken aber angestrengt. Sinnliche Lust und Lockerheit – wie sie das Genre Operette verlangt – spürt man nicht. Er schöpft nicht aus dem Vollen. Stattdessen kontrolliert Kaufmann seine Stimmbänder und den Tonansatz so stark, dass er häufig stocksteif an der Rampe steht.
In der Mittellage müht der Star-Tenor sich ab
Schnell hört man: Sein Tenor ist nicht frei, strömt nicht, sondern rettet sich manchmal in tonlosen Sprechgesang. In der gefürchteten Mittellage müht er sich ab – so im Walzerlied „Leichtes Blut“ oder im Ohrwurm–Duett „Wiener Blut“. Durch operetten-typische, flockige Eleganz und einen kleinen Schuss Frivolität brilliert nur seine Partnerin Johanni van Oostrum, die danach stärkeren Applaus erntet als er.
An einigen Stellen indes lässt Kaufmann seinen schweren, baritonal gefärbten Tenor aufleuchten. Hier klingt er unverwechselbar. Doch vertragen Operetten solche Opern-Einsprengseln kaum. Leichtigkeit, die so schwer sein kann, hat Kaufmann drauf.
CD (Sony): Jonas Kaufmann, Wien. Eine Hommage an die Traumstadt Wien. Mit Wiener Philharmonikern unter Adam Fischer.