Essen. Neu im Kino: Die Leinwandbiografie „Mach dein Ding“ zeigt den Weg von der Geburt bis zum Durchbruch des Panik-Orchesterleiters Udo Lindenberg.

Da liefen ja auch noch „Yesterday“, „Ich war noch niemals in New York“ oder „Cats“. Aber vor allem Musiker-Filme wie „Bohemian Rhapsody“ über die Selbstzerstörung Freddy Mercurys oder „Rocket Man“ über die harte Landung des durchgeknallten Mega-Stars Elton John in der Wirklichkeit dürften nicht wenig dazu beigetragen haben, dass die Lichtspielhausbetreiber jubeln über das Jahr 2019. Es brachte endlich wieder satte Zuwächse, vom Programm- bis zum Popcornkino. Und die Musik- oder Musikerfilme sind eine sichere Bank, denn die Fans heißen Fans, weil sie alles fantastisch finden, was mit ihren Lieblingen zu tun hat.

Und bei Udo Lindenberg fehlte nach all den Comeback-Alben, Stadion-Tourneen, Lebensbüchern und Musical-Erfolgen eigentlich nur noch die Leinwandbiografie, von Filmfachexperten gerne lässig „Bio-Pic“ genannt, weil es vielleicht ein bisschen nach aufspießen klingt. Doch nun ist auch dieses vorläufig letzte Glied in der Lindenberg-Verwertungskette da: „Mach dein Ding“, der Film von der Geburt (das vielbemühte „Doppelkornfeld in Gronau“ wogt in gruseligen Kneipen- und Hausmusikszenen) bis zum Durchbruch des deutschnäselnden Panik-Orchesterleiters. Und dem Andrang auf die restlos ausverkaufte Essener „Lichtburg“ nach zu urteilen, vor der kartenlos gebliebene Udonauten am Donnerstagabend in lauten Sprechchören nach ihrem Idol riefen, wird es in wenigen Wochen golden glänzen.

Kostümschneider und Requisiteure haben ein Meisterwerk verrichtet

Udo Lindenberg bei der NRW-Premiere des Films „Lindenberg - Mach dein Ding
Udo Lindenberg bei der NRW-Premiere des Films „Lindenberg - Mach dein Ding" in der Lichtburg in Essen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Ein Wunschtraum für einen Musikmanager wie Mattheisen von der Teldec, dem Detlev Buck mit lustvoll ausgespielter Schmierlappigkeit Floskelmüll aus dem Mund quellen lässt. Allein an dessen trendgeilen 70er-Jahre-Klamotten haben die Kostümschneider und Requisiteure dieses Films ein Meisterwerk verrichtet. Wie überhaupt die Originaltreue von Unterhosen, Kaffeegeschirr, Automodellen und Verstärkern nur bestaunt werden kann, ähnlich wie beim Hape-Kerkeling-Film „Der Junge muss an die frische Luft“ (dessen Hauptdarsteller Julius Weckauf spielt übrigens einen Jugendfreund von Udo). Das schlotqualmende Gronau der fünfziger Jahre wirkt denn auch wie ein Randbezirk des Ruhrgebiets.

Udos Lebensstationen werden üppig illustriert, der Hotelboy im „Breidenbacher Hof“ von Düsseldorf, der Jazz-Drummer, der auf Klaus Doldinger trifft und im Studio zur ersten Version der „Tatort“-Fanfare trommelt, die Zeit als Truppenunterhalter bei der US-Army in Libyen, die Streunerjahre auf der Reeperbahn, der Ausflug in die DDR, der natürlich das „Mädchen aus Ostberlin“ zur Welt kommen lässt (Saskia Rosendahl). Wie es überhaupt in diesem Film an schönen Frauen nicht mangelt: Julia Jentsch gibt Udos Mutter Hermine, Ruby O. Fee eine hinreißend temperamentvolle „Paula aus St. Pauli“ (ja, die sich immer auszieht) und Ella Rumpf die Turmspringerin, in die sich Little Udo noch in Gronau hoffnungsvoll verknallte – und der er später das sehnsuchtssingende „Cello“ hinterherschreiben sollte, weil sich Turmspringerin nun mal so sperrig in Songzeilen macht. „Du bist kleiner als ich“, sagt diese drei Jahre ältere Susanne zum Steppke-Udo, der vielahnend antwortet: „Aber ich komm mal ganz groß raus!“

Dem Publikum geht ein Song-Licht nach dem anderen auf

Wer die zu Buche geschlagenen Lebensrückblicke von Udo kennt, bekommt hier noch mal seinen inneren Film nachkoloriert. Den übrigen wird ein Song-Licht nach dem anderen aufgehen. Das ist dann aber auch schon das Hauptverdienst dieses Bilderbogens, der vielleicht dem Leben seines Helden zu dicht auf der Spur bleibt, als dass er ein richtiger Film werden könnte, mit einer Geschichte, die nicht auf das wohlbekannte Ende hin erzählt wäre.

Genau deshalb wirkten ja schon „Bohemian Rhapsody“ eine halbe Stunde und „Rocket Man“ eine Viertelstunde zu lang: Für die Fans müssen möglichst viele Titel eingeschleust werden, mehr jedenfalls, als die Story vom Hinfallen und Wiederaufstehen, vom Träumen und Durchhalten tragen könnte. Am Ende bleibt es dann beim Staunen darüber, dass einer, der als Kind schon ein großer Star werden wollte, es dann schließlich auch wird.

Songzeilen werden auf Bierdeckeln notiert

Gelegentlich schrillt hier der Klischee-Alarm, wenn Songzeilen auf Bierdeckeln notiert werden oder eine Drag Queen dem am Boden zerstörten Udo erfolgreich rät: „Zeig der Welt deine Seele!“ Immerhin, die Seitenhiebe auf eine linksspießige deutsche Rock-Szene, deren Hauptsorge es war, nicht zu kommerziell zu werden, sitzen prächtig, und Udos Faible für die große Show ist wunderbar von Kulenkampff & Co. hergeleitet. Aber der eigentliche Durchbruch zum Udoversum, der in Lindenbergs Easysprech-Lockerungsübungen für das deutsche Idiom und in seinem unnachahmlichen Witzkitzeln besteht, kommt ein wenig kurz. Jan Bülow spielt den Lindenberg unglaublich authentisch. Aber er redet viel zu wenig udopisch.