Gelsenkirchen. Zu den Höhepunkten der 6. Figurentheaterwoche in Gelsenkirchen gehört der Auftritt des australischen Puppenspiel-Großmeisters Neville Tranter.

Den Begriff „Superstar“ mit einem Puppenspieler in Verbindung zu bringen, klingt zunächst nach einer eher gewagten These. Neville Tranter hat sich in dieser Szene aber weltweit ein solch hohes Ansehen erarbeitet, gehört der Australier doch zu den bekanntesten und relevantesten Könnern seines Faches. Bald steht wieder eine seiner Stippvisiten in Gelsenkirchen an: Denn der 64-Jährige wird sein jüngstes Bühnenstück „Babylon“ im Rahmen der 6. Figurentheaterwoche präsentieren, die ab dem 25. Januar für eine Woche wieder alle jungen, aber auch älteren Besucher verzaubern will.

Dieses Festival blickt auf eine lange Geschichte zurück: Als „Tage des deutschen Puppenspiels“ feierte es im Jahr 1976 seine Premiere und fand seitdem in einem Zwei-Jahres-Rhythmus im Revierpark Nienhausen in der Feldmark statt. Letztmals im Jahr 2008. Bereits dort hatte sich Hans-Joachim Siebel seit 1986 um die Organisation gekümmert. Nachdem der Revierpark dann entschieden hatte, dieses Kulturangebot nicht fortführen zu wollen, sprang das Kulturreferat der Stadt in die Bresche. Unter dem neuen Namen Figurentheaterwoche fand das Festival dann anlässlich des Kulturhauptstadt-Projektes „Ruhr.2010“ seine Fortsetzung. Und Siebel blieb nach seinem Wechsel ins Kulturreferat der verantwortliche Planer.

Ein Mix aus Talenten und Etablierten

„Wir bieten auch diesmal wieder eine schöne Mischung aus aufstrebenden Talenten und etablierten Ensembles“, blickt Siebel auf das Programm des Puppenspielspektakels, das nun unter dem neuen Namen seine sechste Auflage erlebt. Der bereits seit einige Wochen laufende Vorverkauf funktioniere prima, so Siebel: Einige der insgesamt 16 Aufführungen, die es bis einschließlich Sonntag, 2. Februar, zu bestaunen gibt, sind bereits ausverkauft. Hauptspielstätte ist traditionell das Consol Theater in Bismarck. Doch es gibt auch Aufführungen im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Hassel, in der „Flora“ in der Innenstadt, im Erich-Kästner-Haus in Erle oder im Rittersaal von Schloss Horst.

Das Stück „Ein Schaf fürs Leben“ ist als Vormittagsveranstaltung im Rahmen der 6. Figurentheatertage Gelsenkirchen zu sehen – und zwar am Donnerstag, 30. Januar.
Das Stück „Ein Schaf fürs Leben“ ist als Vormittagsveranstaltung im Rahmen der 6. Figurentheatertage Gelsenkirchen zu sehen – und zwar am Donnerstag, 30. Januar. © Marotte-Figurentheater

Wie immer hält das Festival auch Vormittagsveranstaltungen (ab 10 Uhr) bereit, die sich vornehmlich an junge Puppenspiel-Fans aus Kindergärten und Grundschulen richtet. Dazu gehören etwa die Aufführungen der Stücke „Urmel schlüpft aus dem Ei“ (Mi., 29. Januar), das die „Complizen“ aus Hannover auf die Bühne bringen, sowie „Ein Schaf fürs Leben“ (Do., 30. Januar) vom Marotte-Figurentheater aus Karlsruhe. Die Nachmittags-Veranstaltungen (ab 15 Uhr) wie „Bei Vollmond spricht man nicht“ (Mo., 27. Januar) des Theaters Anna Rampe richtet sich an Familien mit Kindern. „Wir haben aber auch wieder sechs Abendveranstaltungen, die sich an ein erwachsenes Publikum richten“, so Organisator Siebel.

Dazu gehört die „Europäische Marionettengala“, die am Samstagabend, 25. Januar, ab 20 Uhr als Festivalauftakt steigt. Vier renommierte Marionettentheater (zwei aus Deutschland, je eines aus Tschechien und Österreich) bieten bei Live-Gesang auch Ausschnitte aus Mozart-Opern wie „Don Giovanni“ oder „Die Zauberflöte“. Und es gibt ein Wiedersehen mit den „Drei Tenören“ – diesmal hängen diese aber am seidenen Faden.

Doch nicht nur Marionetten kommen laut Siebel während der Figurentheatertage zum Einsatz, sondern auch Handpuppen oder Klappmaufiguren. Manche sind lebensgroß und werden von Puppenspielern geführt, die dank spezieller Anzüge und besonderer Beleuchtung für das Publikum nahezu unsichtbar bleiben – so genanntes „Schwarzes Theater“. Es gibt aber auch Puppenspieler, die mit ihren Figuren für alle sichtbar auf der Bühne interagieren und elementarer Bestandteil des Stückes werden.

Flüchtlingsdrama im Mittelmeer

Der Vorverkauf

Das Programm mit allen Terminen, Uhrzeiten und Spielorten sind im Internet zu finden: www.gelsenkirchen.de/figurentheater. Gedruckte Programmhefte gibt an den üblichen Auslegestellen der Stadt.

Kartenreservierungen sind über das Concol Theater möglich: 0209 169 61 62 oder per E-Mail an figurentheater@consoltheater.de.

Zu letzterer Gruppe gehört der seit Jahrzehnten in Amsterdam lebende und wirkende Australier Neville Tranter. Sein neuestes Bühnenstück „Babylon“ spielt in Nordafrika und beleuchtet die Abgründe der Flüchtlingsdramen, die sich regelmäßig im Mittelmeer abspielen. Viele kämpfen um einen Platz in jenem Boot, das sie angeblich in Sicherheit und Freiheit bringen soll. Stattdessen sinkt das Schiff unterwegs. In Tranters Stück greifen in dieser ausweglosen Situation Gott und Teufel gleichermaßen aktiv ein. Das ist manchmal tieftraurig, manchmal bitterböse und dank dem entwaffnenden Humor des Puppenspiel-Großmeisters meistens witzig und bissig zugleich. Ein echtes Festival-Highlight.