Essen. Diether Krebs war ein auf seine Weise unerreichter Schauspieler. Der Essener Künstler starb am 4. Januar 2000: Rückblick auf ein großes Leben.

Als man Diether Krebs im Januar 2000 beisetzte, war der Ostfriedhof in seiner Geburtsstadt Essen schwarz vor Menschen und wohl jeder von ihnen ergriffen, als sie Krebs’ Lieblingslied spielten: „Send in The Clowns“. Krebs war der andere große Clown aus Essen und das glatte Gegenstück zu Heinz Rühmann. Hier der kleine, geschmeidige, mit seinen Schwächen kokettierende Wirtssohn, der sich seine strahlende Karriere auch vom Nazi-Regime nicht verderben lassen wollte – dort der zweibeinige Lautsprecher aus dem Haushalt eines Schreibwarenhändlers, der das Humboldt-Gymnasium abbrach, um eine Schauspieler-Ausbildung an der Folkwangschule in Essen-Werden aufzunehmen.

Krebs machte Karriere, obwohl er keine Kompromisse einging: Als der WDR die zweite Staffel der erfolgreichen Fernseh-Serie „Ein Herz und eine Seele“ politisch entschärfen wollte, bei der ihn seine damalige Lebensgefährtin Hilde Krekel in der Rolle des jungen, rotzigen Schwiegersohns untergebracht hatte, warf er die Brocken hin. Er wird geahnt haben, dass gerade das politisch Unkorrekte den Reiz von „Ekel Alfred“ ausgemacht hat. Und als Krebs nach seinem Wechsel vom Oberhausener Theater ans Bochumer Schauspielhaus im „Mittagstheater“ die ohnehin theaternahe Fernsehsatire fortsetzte, ging er nach einem Streit mit Intendant Peter Zadek, der Krebs für „zu intellektuell“ gehalten haben soll.

Gag-Song „Ich bin der Martin, ne“ wurde Sommerhit des Jahres

Aber wie Rühmann, mit dem er die Bodenständigkeit teilte, hatte auch Krebs keine Probleme damit, sich für einen Lacher zum Deppen der Woche zu machen: Als er 1991 mit seiner Frau und den beiden Söhnen aus dem traditionellen Familienurlaub zurückkehrte, hatte sich sein Gag-Song „Ich bin der Martin, ne“ unversehens zum Sommerhit des Jahres entwickelt. Und Diether Krebs schuf aus dem Song die gut durchblutete Alternativ-Karikatur mit Norwegerpulli, Vokuhila und Männergruppen-Vokabular. Die Parodie hätte allerdings nur halb so viel Komik gehabt, wenn Krebs selbst nicht das Gegenteil von so einem gewesen wäre: zu umwerfendem Charme fähig und von einer geradezu vibrierenden Männlichkeit.

Überhaupt: Wäre Krebs nicht im Grunde seines Herzens ein Melancholiker gewesen, ein risikoverliebter großer Drauf-, An-die-Grenzen- und Kneipen-Gänger vor dem Herrn, seine Komik hätte viel flachere Züge angenommen. Der Komiker Krebs war das Bindeglied zwischen dem schelmisch-harmlosen Nachkriegszeit-Humor eines Heinz Erhardt und der breiten Comedy-Welle der 90er-Jahre, in der der Witz mangels Masse oft sehr dünn wurde. Krebs konnte sich mit seinen „Sketchup“-Partnerinnen Beatrice Richter und Iris Berben allerdings auch stets darauf verlassen, dass selbst flache Scherze durch Schauspielkunst noch ansehnlich wurden.

Krebs war verbittert über die Veränderung des Schauspielerberufs

Krebs, der schon seit seinen Vierzigern an einer Herzkrankheit litt, wurde zum Ende seiner Karriere hin immer verbitterter über die Veränderung des Schauspielerberufs, die er erlebt hatte: Er wollte keinem jungen Menschen mehr raten, diesen Beruf zu ergreifen, er sah zu viel Ausbeutung und zu wenig Chancen auf Selbstverwirklichung.

Wie sehr Diether Krebs nicht nur von und mit seinem Beruf gelebt hat, sondern auch durch ihn, stellte sich noch einmal am Ende seines viel zu kurzen Lebens heraus: Er war bereits deutlich vom Lungenkrebs und der Chemotherapie gezeichnet, als er in seiner Rolle als dubioser Spediteur Kampmann in Peter Thorwarths Ruhrgebiets-Klassiker „Bang Boom Bang“ das Publikum begeisterte – obwohl der Dreh zunächst wegen Krebs’ Herzerkrankung verschoben werden musste. War eine Szene im Kasten, „fiel er wie ein Blasebalg zusammen“, erinnert sich Peter Thorwarth. Bis zur nächsten Szene sei er dann in sein Wohnmobil gegangen. Und so liegt in dieser Rolle wie in einem Brennglas all die Intensität, die tiefe Abgründigkeit und hohe Komik, die Diether Krebs seinem Schauspiel aus seiner Persönlichkeit heraus mitgeben konnte. Auf seine Weise unerreicht. Where are the Clowns?